EU-Posten Chancenlose Spitzenkandidaten
Wer wird neuer EU-Kommissionspräsident? Vermutlich keiner der drei Spitzenkandidaten, glaubt Kanzlerin Merkel. Sie erwartet "schwierige Diskussionen" - und schließt eine Option weiter kategorisch aus.
Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen Ende kommender Woche über die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker entscheiden. Wer den Posten antreten könnte, ist völlig offen. Nach dem jüngsten EU-Gipfel in Brüssel sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel weder für Manfred Weber noch für einen anderen Spitzenkandidaten realistische Chancen.
Sie nehme die Bewertung von EU-Ratspräsident Donald Tusk ernst, "dass keiner der Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europäischen Rat hat", sagte Merkel zum Abschluss des Gipfels. Danach gibt es weder im Rat noch im Parlament eine Mehrheit für den deutschen EVP-Spitzenkandidaten Weber, den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans oder die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager von den Liberalen.
Gespräche mit allen Parteien
"Ich sehe im Augenblick nicht, dass sich an dieser Feststellung etwas ändern kann", sagte Merkel. Sie verwies darauf, dass der Kommissionspräsident bei den Staats- und Regierungschefs die Unterstützung von 21 der 28 EU-Länder haben müsse - und im EU-Parlament eine Mehrheit. "Deshalb muss nun mit den Parteien gesprochen werden." Die Kanzlerin erwartet "schwierige Diskussionen".
Auch der CSU-Politiker Weber hat kaum noch Chancen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich am ersten Gipfeltag auch nach stundenlangen Beratungen nicht auf einen Nachfolger an der Kommissionsspitze einigen können. Es habe "keine Mehrheit für irgendeinen Kandidaten" gegeben, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die drei Spitzenkandidaten seien aus dem Rennen, hieß es von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Für den 30. Juni ist nun ein EU-Sondergipfel geplant.
Weber kämpft weiter
Es komme jetzt auf das EU-Parlament an, sagte Weber der "Bild". Der CSU-Politiker verteidigte das Spitzenkandidaten-Prinzip: "Gerade wegen der deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung bei den Europawahlen darf die Demokratisierung Europas nicht aufgegeben werden."
Merkel will nicht nach Brüssel
Merkel erklärte erneut, dass sie nicht für einen Spitzenposten in der Europäischen Union zur Verfügung steht: "Ich sage immer noch nein." Sei sei "ein bisschen traurig, dass meine Worte, die ich jetzt so oft gesagt habe, scheinbar auch überhaupt nicht respektiert werden". Über Merkels politische Zukunft wird seit Längerem spekuliert. Zuletzt hatte der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sie als EU-Ratspräsidentin ins Gespräch gebracht.
Im Postenpoker bei der EU geht es nicht nur um den Job des Kommissionschefs, sondern noch um vier weitere Spitzenpositionen: die Präsidenten des Europäischen Rats, des Europaparlaments, der Europäischen Zentralbank und den Posten der EU-Außenbeauftragten. Der EU-Rat sei sich einig, dass es bei der Postenvergabe "ein Paket" geben müsse, das die Vielfältigkeit der EU widerspiegele, sagte Tusk.