Einigung auf Gipfel EU will geschlossene Aufnahmelager
Durchbruch nach stundenlangem Ringen: Die EU-Staaten haben sich bei ihrem Brüsseler Gipfel auf geschlossene Aufnahmelager in EU-Ländern geeinigt. Sie sollen auf freiwilliger Basis eingerichtet werden.
Die EU-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf geeinigt, in der EU geschlossene Aufnahmelager für gerettete Bootsflüchtlinge einzurichten. Diese sollen in Ländern entstehen, die sich freiwillig dazu bereit erklären. Aus den Lagern heraus sollen die Menschen wiederum auf Staaten verteilt werden, die freiwillig mitmachen. Welche das sein könnten, ist noch unklar.
Zugleich sollen nach dem Willen der EU-Staaten auch Sammellager in nordafrikanischen Staaten entstehen, damit sich weniger Migranten illegal auf den Weg übers Mittelmeer machen. Allerdings lehnen die betroffenen Staaten dies bislang ab.
Bei diesen möglichen Sammelstellen werde mit dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration zusammengearbeitet und internationales Recht eingehalten, versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir gesagt haben: Wir wollen in Partnerschaft mit Afrika arbeiten."
Verstärkung für Frontex, Milliarden für die Türkei
Die Grenzschutzagentur Frontex soll außerdem schon bis 2020 verstärkt werden. Zudem sollen die EU-Außengrenzen stärker abgeriegelt werden.
Die EU-Staaten einigten sich im Zuge der Migrationsdebatte auch auf die Finanzierung weiterer drei Milliarden Euro, die der Türkei für syrische Flüchtlinge zugesagt sind. Die EU-Staats- und Regierungschefs forderten gleichzeitig von Ankara stärkere Anstrengungen, um einen Wiederanstieg der Flüchtlingszahlen auf der östlichen Mittelmeerroute zu verhindern. Die Milliarden sind Teil des Flüchtlingspaktes von 2016.
Merkel: "Gute Botschaft"
Merkel begrüßte die Einigung auf gemeinsame Beschlüsse zur Migration. Dies sei eine "gute Botschaft". Sie sei nun optimistisch, dass die EU an Themen wie der europäischen Asylreform weiterarbeiten könne. Hier sei aber "noch viel zu tun", um "die verschiedenen Sichtweisen auch zu überbrücken".
Lösung auch für deutschen Asylstreit?
Offen blieb zunächst, ob das von Merkel und ihren EU-Kollegen erzielte Ergebnis den Weg aus dem deutschen Asylstreit weisen könnte. Merkel sucht dringend einen europäischen Ansatz, um das Weiterziehen von registrierten Asylbewerbern aus EU-Ländern nach Deutschland zu bremsen. Anderenfalls will Innenminister Horst Seehofer solche Migranten im Alleingang an der deutschen Grenze abweisen lassen.
Zwar ist in der Abschlusserklärung nun auch eine Klausel zu dieser sogenannten Sekundärmigration enthalten. Allerdings steht dort nur recht allgemein: "Mitgliedstaaten sollten alle nötigen internen gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen ergreifen, um solchen Bewegungen entgegenzuwirken, und dabei eng zusammenarbeiten."
Merkel sagte, damit sei eine stärkere Ordnung und Steuerung der "Sekundärmigration" vereinbart worden. Klar sei, dass alle sich an Regeln halten müssten und sich kein Asylbewerber einen EU-Staat aussuchen dürfe.
Zunächst Blockade von Italien
Der französische Präsident Emmanuel Macron lobte den Beschluss als "europäische Lösung". Diese sei besser als nationalstaatliche Einzellösungen, die ohnehin nicht getragen hätten, sagte Macron. "Das ist für Frankreich eine gute Nachricht." Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz äußerte sich erfreut, dass viele EU-Staaten nun den Fokus ganz klar auf Reduzierung von Migration und Schutz der EU-Außengrenzen legten.
Geradezu euphorisch äußerte sich am Ende der italienische Regierungschef Giuseppe Conte, der zeitweilig mit einer Blockade des Gipfels gedroht und eine ganze Reihe Forderungen aufgestellt hatte. Nach dem Durchbruch sagte er: "Bei diesem europäischen Rat wird ein verantwortungsvolleres und solidarischeres Europa geboren. Italien ist nicht mehr allein."
Conte hatte darauf gedrungen, dass die übrigen EU-Länder Italien mehr Flüchtlinge abnehmen und sich an der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen beteiligen. Die neue italienische Regierung aus rechter Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hatte in den vergangenen Tagen Flüchtlingsschiffen privater Hilfsorganisationen die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt.