Debatte um EU-Flüchtlingspolitik "Die Geschichte wird Merkel Recht geben"
Vor dem EU-Gipfel bringen sich Gegner und Befürworter einer restriktiveren Flüchtlingspolitik in Position. Während Kommissionschef Juncker die deutsche Kanzlerin stärkt, ist für Österreichs Kanzler Faymann klar: Auch die Regierung in Berlin muss auf einen strikteren Kurs umschwenken.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgewiesen. Die Geschichte werde Merkel Recht geben, sagte Juncker der "Bild"-Zeitung. Er verwies dabei auch auf "die weitblickende Wiedervereinigungs-Politik von Helmut Kohl", die ebenfalls lange umstritten gewesen sei.
Zudem hob der EU-Kommissionschef erste Erfolge der europäischen Flüchtlingspolitik hervor. "Dank wichtiger Beschlüsse der türkischen Regierung" gelangten weniger Flüchtlinge von dort nach Westeuropa. Zudem würden in Griechenland mittlerweile bei neun von zehn Asylbewerbern die Fingerabdrücke genommen; im September seien es lediglich acht Prozent gewesen. Zugleich seien "in Rekordzeit" die Gelder verdoppelt und 10,1 Milliarden Euro durch Umschichtungen mobilisiert worden, sagte Juncker.
Merkel soll Österreich folgen
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann glaubt dagegen nicht an einen Erfolg der Merkel-Strategie. Er rechne damit, dass Deutschland die restriktivere Flüchtlingspolitik seines Landes bald übernehmen werde. Regierungen müssten "mit Blick auf die Realität" Beschlüsse fassen, sagte der Sozialdemokrat dem "Kurier". "Das haben wir getan. Und ich glaube, dass wir Schritte gesetzt haben, die Deutschland auch noch setzen wird. Ich bin persönlich überzeugt, dass wir da bald wieder im Gleichklang sein werden", so Faymann.
Faymann und Merkel hatten zu Beginn der Flüchtlingskrise im vergangenen Jahr beide eine Politik der offenen Grenzen befürwortet. Angesichts des andauernden Umfragehochs der rechten FPÖ schwenkte die Wiener Regierung in den letzten Wochen allerdings um und kündigte eine Reihe von restriktiven Maßnahmen an. Dazu gehören jährliche und tägliche Obergrenzen für Asylanträge, verstärkte Rückführungen und Vorkehrungen für lückenlose Grenzkontrollen im Süden.
Österreich fühle sich von Deutschland und von Europa insgesamt alleingelassen, sagt ARD-Korrespondent Till Rüger. Bei den nun angekündigten Beschlüssen der Regierung handele es sich um "Pläne für den Ernstfall", wenn die Zahl ankommender Flüchtlinge im Frühjahr wieder steigen sollte. Dann wolle Österreich an den Grenzübergängen verstärkt auf Kontrollen von Personen, Fahrzeugen und auch im Bahnverkehr setzen. Außerdem solle noch eine flexible Einsatzgruppe gebildet werden, die im Falle von gewaltsamen Ausschreitungen an der Grenze eingreifen könne.
Vom EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag erhofft sich Faymann einen stärkeren Kampf der Türkei gegen Schlepper sowie eine griechisch-türkische Vereinbarung über Rückführungen. Auch im Hinblick auf den Gipfel versuche Faymann den Druck zu erhöhen, um Europa zum Handeln zu bewegen, heißt es von Rüger weiter. Denn gerade der Brenner sei dank seiner wirtschaftlich bedeutenden Rolle ein ganz entscheidender Grenzübergang. Behinderungen und Einschnitte würden gleich mehrere EU-Staaten treffen.
"Schicksalsjahr" für Europa
Deutschland wird beim EU-Gipfel trotz Widerständen nach Angaben von Bundesjustizminister Heiko Maas dagegen unverdrossen für eine gerechte Lastenteilung in der Flüchtlingskrise kämpfen. "Wir werden nicht aufhören, für eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas zu werben", sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. Wie in der Eurokrise müsse die EU eine gemeinsam Antwort finden, um die riesige Bewährungsprobe zu meistern.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sogar von einem "Schicksalsjahr" für Europa. Kauder zeigte sich optimistisch, dass sich bei dem EU-Gipfel "einiges" bewegen werde. Die zentrale Aufgabe sei der Schutz der EU-Außengrenzen, sagte Kauder im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Die EU-Staaten müssten jetzt zusammenstehen und alles daran setzen, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. "Wir können das schaffen und wir müssen das schaffen", sagte er mit Blick auf den berühmten Satz Merkels.