EU-Datenschutzreform Endlich Spielregeln fürs Internet?

Stand: 15.06.2015 08:09 Uhr

Seit nicht weniger als drei Jahren verhandeln die EU-Staaten über neue Datenschutzgesetze. Bei der heutigen Sitzung der Justizminister könnte die Einigung endlich gelingen. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt - die bisherige Richtlinie stammt aus dem Jahr 1995.

Von Christian Feld, ARD Berlin

Von Christian Feld, ARD-Studio Brüssel

Eine Welt ohne Internet, ohne Smartphones und soziale Netzwerke, ohne Suchmaschinen und Online-Lexika - für viele ist das nicht vorstellbar. In der Tat bietet das Netz fantastische Möglichkeiten: Wir können online einkaufen, Wissen teilen, Freundschaften über große Distanzen aufrecht erhalten.

Doch die immer digitalere Welt braucht auch neue Spielregeln. Immer gigantischer werden die Datenmengen, die wir produzieren: Bilder, Mails, Informationen darüber, wo wir uns aufhalten und was wir bezahlen.

Einheitliche Standards

Seit Jahren wird in der EU um neue Datenschutzgesetze gerungen. Doch die Mitgliedstaaten kamen nur mühsam voran. Heute aber könnten sie sich endlich auf eine gemeinsame Position verständigen. "Ich kenne keinen, der denkt, dass es nicht zustande kommt", sagt der Verhandlungsführer eines großen EU-Landes. Damit nähme das Vorhaben eine wichtige Hürde. Das Ziel: In Zukunft soll in allen 28 EU-Staaten ein einheitliches Datenschutzniveau gelten.

Das ist zurzeit nicht der Fall. So gilt beispielsweise Irland, wo unter anderem Facebook seinen Europa-Sitz hat, als weniger streng. Das einheitliche Recht soll aber auch der Wirtschaft helfen, weil sie sich nicht mehr auf 28 unterschiedliche Systeme einstellen müsste. An die neuen Regeln müssten sich nicht nur europäische Unternehmen halten, sondern auch solche, die ihren Sitz zum Beispiel in den USA haben. Bei Verstößen drohten empfindliche Strafen.

Haben Kunden ein Problem mit einem Anbieter im EU-Ausland, dann könnten sie sich in der eigenen Sprache an eine Beschwerdestelle im eigenen Land wenden. Anbieter sollen ihre Produkte so voreinstellen, dass sie datenschutzfreundlich sind. Ebenfalls gefordert sind verständlichere Hinweise, was mit den Daten genau passiert. Schließlich sollen Kunden die Möglichkeit bekommen, Daten leichter wieder zu löschen als jetzt.   

Streitpunkt "Zweckbindung"

Über die Reform wird seit Jahren kontrovers gestritten. Die Vorstellungen von Wirtschaftsverbänden und Datenschutzorganisationen prallen hart aufeinander. Ein Beispiel: die sogenannte Zweckbindung. Es geht darum, was genau ein Unternehmen mit den Daten seiner Kunden machen darf - jenseits des ursprünglichen Zwecks. Das ist gerade in Zeiten von Big Data, also der Nutzung und Auswertung von großen Datenmengen, eine wichtige Frage. Datenschützer werfen den Mitgliedstaaten vor, hier grundlegende Prinzipien über Bord zu werfen.

Sollten die Mitgliedstaaten heute eine gemeinsame Position finden, folgen die abschließenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament. Der Grünen-Abgeordnete und Verhandlungsführer Jan Philipp Albrecht sagt, der Ministerrat habe "keine Katastrophe" produziert. Das Parlament werde zwar an der einen oder anderen Stelle auf höhere Standards bestehen - "aber auch deswegen wird am Ende ein Ergebnis im Raum stehen, das dem Verbraucher mehr bietet, als er heute bekommt“.

Karin Bensch, K. Bensch, WDR Brüssel, 15.06.2015 17:15 Uhr

Verantwortung der User

Dennoch werden Gesetze wie die Datenschutzverordnung nicht alle Probleme lösen. "Wir können uns nicht nur auf die Regierungen und Unternehmen verlassen", sagt Andrew Keen, Autor des Buchs "Das digitale Debakel" im Gespräch mit tagesschau.de. Wir, die wir all die digitalen Produkte nutzen, müssten uns auch selbst mehr kümmern. Aber: "Der Mensch ist schon ziemlich faul. Wir handeln nur, wenn wir wirklich Angst haben, wenn uns etwas wirklich besorgt." Und noch, so meint Keen, hätten wir in Sachen Daten eben noch keinen "Tschernobyl-Moment" erlebt.