EU will Landwirte schützen Weniger Macht den Handelskonzernen?
Nachträglich geänderte Verträge, Last-Minute-Stornierungen: Landwirte in der EU klagen über unfaire Geschäftspraktiken großer Handelskonzerne. Jetzt schreitet die EU-Kommission ein.
Schutz vor unfairen Handelspraktiken - das soll der neue Gesetzesentwurf von EU-Agrarkommissar Phil Hogan garantieren. "Bei diesem Vorschlag geht es ganz grundsätzlich um Fairness und darum, wie die EU-Kommission auf Probleme reagiert, die die EU-Bürger alltäglich erleben", so Hogan.
20 EU-Staaten haben bereits mit nationalen Gesetzen auf unfaire Praktiken im Lebensmittelhandel reagiert. Jetzt legt die EU-Kommission nach. Sie will garantieren, dass in Spanien, Rumänien oder auch in Deutschland für alle die gleichen Bedingungen gelten.
Bei dem Vorschlag gehe es im Wesentlichen um Fairness, sagte EU-Agrarkommissar Hogan in Brüssel.
Landwirte als schwächstes Glied
Vor allem zwei Gruppierungen sollen durch Hogans Neuregelung entlastet werden: Das sind die Bauern und die kleinen und mittleren Nahrungsmittelhersteller. "Mit dem heutigen Vorschlag wollen wir das schwächste Glied in der Kette besser schützen", so Hogan. Die Nahrungskette insgesamt solle gestärkt werden, "denn eine Kette ist sprichwörtlich nur so stark wie ihr schwächstes Glied."
Künftig soll es nicht mehr möglich sein, dass große Supermärkte - in Deutschland vor allem die großen Discounter - ihre Marktmacht ausspielen und so Lieferanten wie Bauern unter Druck setzen. "Ist es beispielsweise gerecht, dass große Abnehmer offene Rechnungen vor allem kleiner Lieferanten monatelang nicht bezahlen? Das ist nicht fair und muss ein Ende haben. Ist es gerecht, dass Bauern große Mengen an Waren an Supermärkte liefern, um im letzten Moment zu erfahren, dass die Hälfte davon gar nicht gebraucht wird?"
Die EU-Kommission fordert unter anderem eine bessere Einkaufspolitik der Einzelhändler und Discounter.
Einzelhändler in der Pflicht
Diese Liste der unfairen Praktiken, die künftig verboten sein sollen, lässt sich fortsetzen. Supermärkte dürfen in Zukunft unverkaufte Ware nicht mehr einfach so an die Bauern zurückgeben. Eine Lösung für dieses Problem: Die Einzelhändler sollen nach den Vorstellungen des EU-Agrarkommissars ihre Einkaufspolitik besser auf die Nachfrage der Kunden abstimmen.
Und noch eines will Hogan künftig unterbinden: dass Bauern, Molkereien oder Lebensmittelhersteller dafür zahlen müssen, um ihre Waren überhaupt an große Ketten liefern zu dürfen. Im Fachjargon spricht man hier von Listungsgebühren.
Hogans Direktive müssen jetzt noch die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen. Sie können noch Änderungen vornehmen und auch die Verbotsliste erweitern. Offen ist noch die Frage von Sanktionen.
Preise sollen nicht steigen
Für die Verbraucher erwartet Hogan keine negativen Effekte: "Ich bin zuversichtlich, dass die Maßnahmen eine breite Unterstützung finden werden. Anders als die Vertreter der Handelsketten meinen, werden die Maßnahmen die Lebensmittelpreise nicht negativ beeinflussen. Nicht ohne Grund haben alle Verbraucherverbände auch im öffentlichen Anhörungsprozess ihre Zustimmung gegeben."
Auch der Dachverband der europäischen Bauernverbände findet Hogans Vorstoß gut. Er spricht von einem Schritt in die richtige Richtung. Die Einzelhandelsverbände dagegen lehnen Hogans Papier erwartungsgemäß ab.