Treffen der EU-Außenminister Sanktionen gegen Russland - der richtige Weg?
Wieder einmal steht der EU eine Debatte über Russland-Sanktionen ins Haus - dieses Mal wegen Syrien. Auch Kanzlerin Merkel soll sich zuletzt für eine Verschärfung der bereits wegen der Ukraine-Krise bestehenden Strafmaßnahmen stark gemacht haben.
Das Problem dürfte der EU bekannt vorkommen: Ähnlich wie in der Ukraine zerbrechen sich die Europäer einmal mehr den Kopf darüber, wie man Russland Einhalt gebieten kann. Diesmal geht es um Syrien. Und um die Frage, wie man Moskau davon abhalten kann, weiter die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad mit Bombenangriffen zu unterstützen ohne Rücksicht auf Zivilisten: Der Westen wirft Russland vor, in Aleppo zuletzt nicht nur bewusst Krankenhäuser, sondern auch einen Hilfskonvoi der Vereinten Nationen angegriffen zu haben. Das Problem: Die EU hat nur wenige Druckmittel.
"Es gibt keine militärische Lösung für den Konflikt in Syrien. Daher wäre es nicht hinnehmbar, diplomatischen Raum preiszugeben", erklärte kürzlich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Sie wirbt dafür, unermüdlich weiter Wege auszuloten, die zurück an den Verhandlungstisch führen könnten. Im Büro der EU-Außenbeauftragten hält man wenig von der Idee, Russland wegen seines Verhaltens in Syrien mit Sanktionen zu strafen.
Und auch Marc Pierini, der ehemalige EU-Botschafter in Syrien, fürchtet, Strafmaßnahmen könnten die Friedensgespräche gefährden. Im ARD-Interview erklärt er: "Es könnte den diplomatischen Prozess zum Entgleisen bringen. Russland könnte es als Ausrede benutzen, um genau das zu tun. Für Moskau steht diplomatisch in Syrien so viel auf dem Spiel, dass Russland vielleicht eher die Sanktionen aushält, als seinen Kurs zu ändern."
Merkel offenbar für Ausweitung der Sanktionen
Schweden hatte offen Strafmaßnahmen gegen Moskau wegen der Luftangriffe von Aleppo gefordert. Und nun wächst der Druck stark, denn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will Medienberichten zufolge auf dem EU-Gipfel diese Woche dafür werben, auf die wegen der Ukraine-Krise ohnehin bestehenden Sanktionen noch draufzusatteln. Auch die Außenminister der USA und Großbritanniens, John Kerry und Boris Johnson, stellten gestern klar, dass man neue Maßnahmen erwäge.
Das dürfte eine schwierige Debatte geben, denn innerhalb der Europäischen Union gibt es durchaus Gegner eines härteren Moskau-Kurses. Unüberhörbar laut war jedoch zuletzt der Chor derjenigen geworden, die eine Untersuchung wegen möglicher russischer Kriegsverbrechen in Aleppo forderten. Dazu gehörte auch Johnson, der zudem zu Demonstrationen gegen Moskau aufrief: "Natürlich würde ich gerne Proteste vor der russischen Botschaft sehen. Wo ist denn diese 'Stoppt-diesen-Krieg-Koalition' jetzt?" Dieses Zitat löste in Moskau wütende Reaktionen aus.
Nun jedenfalls muss sich die Europäische Union abermals über die richtige Dosierung von Druck und Dialog gegenüber Russland verständigen. Was nicht einfach sei, wie der ehemalige EU-Botschafter in Syrien, Pierini, zugibt: "Der Grund, warum auch die US-Versuche, sich mit Russland zu verständigen, so oft scheitern, liegt nicht nur in Syrien: Es ist Teil eines 'Großen Spiels', das Moskau spielt, wozu auch etwa die Stationierung von Atomraketen in Kaliningrad gehört. Russland will klarstellen: Wir sind zurück, wir sind stark, wir können militärisch jede Menge Probleme verursachen."
Diplomatie als letzter Hebel
Besonders viele Hebel, um auf Moskau einzuwirken, haben die EU und die USA aus Sicht des Experten, der nun als Gastprofessor für die Ideenfabrik Carnegie Europe arbeitet, nicht. Außer der Diplomatie: Es wäre derzeit deshalb schon viel, wenn man sich auch Sicherheitskorridore für Hilfstransporte einigen könnte, meint Pierini.
Möglicherweise wird innerhalb der EU nun auch deshalb über neue Russland-Sanktionen nachgedacht, weil man sich damit aus einer Situation befreien will, in der die Europäer einigermaßen ohnmächtig erscheinen.
Eines scheint bei all dem immer klarer zu werden: Eine mögliche Lockerung der bestehenden Sanktionen wegen der Ukraine-Krise scheint unter diesen Umständen kaum möglich. Vor kurzem hatte man darüber auf EU-Seite tatsächlich noch nachgedacht.