Volksabstimmung zu EU-Sonderrechten Ende der dänischen Extrawurst?
Der Ukraine-Krieg sorgt für viele Veränderungen - heute vielleicht auch in Dänemark. Dort stimmen die Menschen darüber ab, ob das Land nach 30 Jahren seine militärische Zurückhaltung innerhalb der EU aufgibt.
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat in vielen Ländern für Veränderungen gesorgt, die bis dahin unvorstellbar waren: Deutschland will etwa Milliarden Euro im Rekordtempo für Aufrüstung bereitstellen und Schweden und Finnland unterzeichneten NATO-Beitrittsanträge. Heute könnte sich nun Dänemark einreihen. Dort stimmen die Menschen darüber ab, ob das Land eines seiner Sonderrechte abgibt, die es in der EU hat. Denn bisher nimmt Dänemark nicht an der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik teil.
Die Dänen und ihre Extrawürste
Seit rund 30 Jahren haben die Dänen mehrere Extrawürste in der EU. Alle Versuche, diese sogenannten Vorbehalte abzuschaffen, hat die Bevölkerung bisher abgelehnt. Jetzt startet die Regierung einen neuen Versuch. Die Politikwissenschaftlerin und ehemalige Ministerin, Lykke Friis, sieht den Ukraine-Krieg als Auslöser für eine Zeitenwende in Dänemark.
Warum gibt es die Sonderrechte?
Anfang der 1990er Jahre wollten die EU-Länder bei noch mehr Themen - wie zum Beispiel der Verteidigung - eng zusammenarbeiten. Das sollte mit neuen Regeln festgelegt werden. Diese wurden im Maastrichter Vertrag festgehalten. Dem mussten alle Mitgliedsländer zustimmen. Doch die Dänen sagten in einer Volksabstimmung "Nein".
Andere Länder gaben den Dänen schließlich Extrawürste, damit sie zustimmten. In einer zweiten Abstimmung sagte dann eine Mehrheit der Dänen "Ja" zu den neuen EU-Regeln, aber eben nur mit den Sonderrechten für Dänemark. Deshalb wird in Dänemark zum Beispiel weiter mit Kronen bezahlt statt mit Euro. Und auch bei allem, was mit Militär und Verteidigung zu tun hat, ist Dänemark raus.
Zusammenhalt als Argument
Letzteres wird aber immer mehr zum Problem, findet Ministerpräsidentin Mette Frederiksen - und hat deshalb die heutige Volksabstimmung auf den Weg gebracht. In einer Debatte im dänischen Fernsehen hat sie gesagt:
Das wichtigste Argument für ein Ja ist der Zusammenhalt. Wenn die Welt so unsicher ist und Russland so aggressiv, müssen wir in Europa zusammenhalten.
Einigkeit über Parteigrenzen hinweg
Von Frederiksens Sozialdemokraten bis hin zu moderaten Konservativen sind sich da fast alle einig. Der dänische Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen argumentierte: "Ich habe an NATO-Gipfeltreffen mit Donald Trump teilgenommen, wo er sich die Frage stellte, ob Amerika Europa verteidigen will. Sicherlich haben wir jetzt einen neuen Präsidenten, aber man weiß ja nie. Europa muss besser auf sich selbst achten können, und Dänemark ist ein Teil von Europa."
Für den Status quo sind vor allem die Parteien Links- und Rechtsaußen. Morten Messerschmidt von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei sagte, die letzten Monate hätten gezeigt, wenn Putin Respekt vor etwas habe, dann vor den Amerikanern, Kanadiern und Briten. "Die sind alle nicht in der EU. Wenn man anfängt, ein eigenes EU-Militär aufzubauen, was klar das Ziel in Brüssel ist, kann das die NATO spalten."
Umfragen: Dänen könnten zustimmen
Die Menschen in Dänemark tendieren laut einer aktuellen Umfrage eher dazu, mit "Ja" zu stimmen. 44 Prozent sind klar dafür, die Sonderrechte abzugeben, 28 Prozent dagegen.
Ein Mann sagt: "Ich stimme mit Ja, weil ich finde, wir brauchen eine breitere Verteidigung. Ein anderer sagt: "Ich bin dafür, dass wir den Vorbehalt beibehalten. Ich vertraue unseren Politikern nicht, wenn sie Soldaten in den Krieg oder andere militärische Operationen schicken können. Der EU-Vorbehalt ist ein guter Bremsklotz, was das angeht." Und auch eine weitere Befragte ist gegen die Militarisierung und Aufrüstung ihres Landes. Dennoch fügt sie hinzu: "Aber ich finde es wichtig, dass wir Einfluss haben und nicht außen vorstehen."
Die Wahllokale sind heute bis 20 Uhr geöffnet. Danach ist klar, ob Dänemark als einziges EU Land weiter seine Extrawurst bei Sicherheits- und Verteidigungsfragen behält oder ob die Angst vor Russland für eine weitere Zeitenwende in Europa gesorgt hat.