Kritik an Cameron-Rede zur EU "Großbritannien würde verlieren"
Ein EU-Austritt Großbritanniens würde laut EU-Parlamentspräsident Schulz vor allem den Briten selbst schaden. In den Tagesthemen kritisierte er die EU-Rede von Premier Cameron. Schulz räumte ein, dass die EU "besser" werden müsse. Vor allem London habe dies aber verhindert.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat den britischen Premierminister David Cameron wegen dessen Europa-Rede kritisiert. Dieser hatte unter anderem ein Referendum über den Verbleib in der EU angekündigt und eine verringerte politische Zusammenarbeit eingefordert.
Die großen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Bankenkontrolle oder Migration könnten die Europäer nur gemeinsam lösen, sagte Schulz in den Tagesthemen. Allein könne kein EU-Staat im globalen Wettbewerb bestehen. Nach Meinung des Sozialdemokraten wäre ein möglicher britischer EU-Austritt nach einem Referendum allerdings für die EU weniger ein Problem als für die Briten selbst: "Großbritannien würde verlieren."
Schulz: Demokratiedefizit gerade auch wegen der Briten
Zustimmung signalisierte Schulz hingegen für Camerons Forderung nach Reformen in der EU. "Das Demokratiedefizit existiert", sagte er. "Die EU muss besser werden." Wie vom britischen Premier gefordert, müsse es beispielsweise mehr Transparenz und Effektivität geben. Die EU-Kommission dürfe sich auch nicht in "alles und jedes" einmischen. Sein Ziel sei eine EU, die sich um die großen Themen kümmere - und nicht um das, was "ortsnah" besser zu entscheiden sei.
Allerdings seien entsprechende Vorhaben oft am britischen Widerstand gescheitert, betonte Schulz: "Da zeigt jemand mit dem Finger auf ein Problem, dass er maßgeblich selbst mitverursacht hat." Laut Schulz richtete sich Camerons Rede allerdings weniger an die europäische Öffentlichkeit als an den rechten, europakritischen Parteiflügel dessen konservativer Partei.
Cameron: "Will einen besseren Deal für Großbritannien und Europa"
Cameron hatte unter anderem für 2017 ein Referendum angekündigt, sollte er 2015 wiedergewählt werden, und dringende Reformen angemahnt. Er betonte dabei aber, er sei kein Isolationist: "Ich will einfach nur einen besseren Deal für Großbritannien. Und ich will auch einen besseren Deal für Europa." Die EU müsse vor allem als Wirtschaftsraum gestärkt werden, nicht als politisches Bündnis.
Voraussetzung für einen Verbleib in der EU sei deren Reform, sagte Cameron weiter. Das Bündnis müsse flexibler, wettbewerbsfähiger und demokratischer werden, sagte Cameron weiter. Es müsse auch möglich sein, dass Befugnisse zurück an die Mitgliedsländer gingen. In ihrem jetzigen Zustand drohe die EU zu scheitern - was er aber nicht wolle.
Kritik von europäischen Spitzenpolitikern
Zuvor hatten schon zahlreiche weitere Politiker in Europa und Großbritannien Cameron kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte ihm zwar intensive Gespräche über die britischen Wünsche zu. "Europa bedeutet auch immer, dass man faire Kompromisse finden muss", sagte sie aber. Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte vor der Forderung nach weiteren Ausnahmeregelungen innerhalb der EU: Zwar müsse die EU nicht alles regeln - "aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren." Für Zukunftsfragen brauche die EU mehr Integration.
Der französische Präsident François Hollande hofft auf ein "Ja" bei einer möglichen Abstimmung. Eine Sprecherin betonte allerdings, dass die EU-Mitgliedschaft auch gewisse Pflichten mitbringe: "Das Europa, an das wir glauben, ist ein Pakt der Solidarität, und die Solidarität gilt für alle Mitgliedstaaten." Außenminister Laurent Fabius nannte ein britisches Referendum "gefährlich für Großbritannien selbst". Auch Spitzenpolitiker aus anderen EU-Ländern reagierten kritisch auf die Rede Camerons.
Die EU-Kommission reagierte kühl auf die Referendumsankündigung. "Es ist im Interesse Großbritanniens und Europas, dass das Land im Zentrum der EU bleibt", ließ Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine Sprecherin erklären. Er selbst vermied demonstrativ jede eigene Wortmeldung.
Labour-Chef: "Rede eines schwachen Premierministers"
Der britische Oppositionsführer, Labour-Chef Ed Miliband, nannte die Rede die eines "schwachen Premierministers". Er warf Cameron vor, jahrelange Unsicherheit zu schaffen. Camerons liberaldemokratischer, europafreundlichen Koalitionspartner sprach sich gegen ein Referendum zu dem vorgeschlagenen Zeitpunkt aus. Jahre der Unsicherheit wegen einer langwierigen Neuverhandlung der Position in Europa seien nicht im nationalen Interesse, sagte Parteichef Nick Clegg.
Den Europa-Gegnern von der UK Independence Party gehen Camerons Vorschläge nicht weit genug. Allerdings sei die Debatte um einen EU-Austritt jetzt kein Randthema mehr, sagte Parteichef Nigel Farage.
Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson, einer der treibenden Euroskeptiker unter den Tories, begrüßte die Rede Camerons hingegen. "Was die meisten vernünftigen Menschen wollen, ist, im Binnenmarkt zu bleiben, aber die irritierenden Auswüchse der EU zu beschneiden", sagte er.