Reaktionen auf Rede zur EU Cameron allein in Europa
Mahnungen, Kritik, blankes Unverständnis - der britische Premier Cameron hat sich mit seiner EU-Rede eher keine Freunde gemacht. Kanzlerin Merkel forderte Kompromisse ein, Außenminister Westerwelle warnte vor "Rosinenpicken". Auch aus der EU kommt Contra. Die Reaktionen auf der Insel sind nicht positiver.
Die Europa-Rede des britischen Premierministers David Cameron ist im In- und Ausland scharf kritisiert worden. Er hatte unter anderem für 2017 ein Referendum angekündigt und dringende Reformen angemahnt. Cameron betonte, er sei kein Isolationist: "Ich will einfach nur einen besseren Deal für Großbritannien. Und ich will auch einen besseren Deal für Europa." Die EU müsse vor allem als Wirtschaftsraum gestärkt werden, nicht als politisches Bündnis.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte Cameron zwar intensive Gespräche über die britischen Wünsche zu. Sie betonte jedoch, man müsse immer im Auge haben, dass Länder unterschiedliche Interessen hätten. "Europa bedeutet auch immer, dass man faire Kompromisse finden muss", sagte Merkel. Sie wünsche sich, dass Großbritannien aktives EU-Mitglied bleibe.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte vor der Forderung nach weiteren Ausnahmeregelungen innerhalb der EU: Zwar müsse die EU nicht alles regeln - "aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren." Für Zukunftsfragen brauche die EU aus deutscher Sicht nicht weniger, sondern mehr Integration.
Frankreich: "Gefährlich für Großbritannien"
Der französische Präsident François Hollande hofft auf ein "Ja" bei einer möglichen Abstimmung. Der Präsident wünsche, dass Großbritannien in der EU bleibe, sagte eine Sprecherin. Sie betonte allerdings, dass die EU-Mitgliedschaft auch gewisse Pflichten mitbringe: "Das Europa, an das wir glauben, ist ein Pakt der Solidarität, und die Solidarität gilt für alle Mitgliedstaaten." Außenminister Laurent Fabius nannte ein britisches Referendum "gefährlich für Großbritannien selbst".
Nach Ansicht der spanischen Regierung wäre ein Austritt Großbritanniens für die britische Bevölkerung schlecht. Wer auf sich allein gestellt den Wettbewerb mit Mächten wie den USA, China, Indien oder Brasilien aufnehmen will, habe die Zeichen der Zeit nicht verstanden, sagte Außenminister José Manuel García-Margallo. Auch Spitzenpolitiker aus Schweden, Finnland, Österreich und anderen EU-Ländern reagierten kritisch auf die Rede Camerons.
Schulz: Reformen an den Briten gescheitert
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wies die Kritik Camerons an der EU scharf zurück. Notwendige Reformen seien unter anderem an Großbritannien gescheitert, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Cameron habe bisher keinen konstruktiven Vorschlag gemacht - in Wahrheit gehe es ihm nur um einen Abbau der Integration. Der Brite wage spiele aus innenpolitischen Gründen "ein gefährliches Spiel".
Die EU-Kommission reagierte kühl auf die Referendumsankündigung. "Es ist im Interesse Großbritanniens und Europas, dass das Land im Zentrum der EU bleibt", ließ Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine Sprecherin erklären. Er selbst vermied demonstrativ jede eigene Wortmeldung.
Labour-Chef: "Rede eines schwachen Premierministers"
Der britische Oppositionsführer, Labour-Chef Ed Miliband, nannte die vorab bekannt gewordene Rede die eines "schwachen Premierministers", der von Parteiinteressen geleitet sei und die Wirtschaftsinteressen des Landes außer Acht lasse. Er warf Cameron vor, jahrelange Unsicherheit zu schaffen. Camerons liberaldemokratischer, europafreundlichen Koalitionspartner sprach sich gegen ein Referendum zu dem vorgeschlagenen Zeitpunkt aus. Jahre der Unsicherheit wegen einer langwierigen Neuverhandlung der Position in Europa seien nicht im nationalen Interesse und schadeten Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt, sagte Parteichef Nick Clegg.
Den Europa-Gegnern von der UK Independence Party gehen Camerons Vorschläge nicht weit genug. Allerdings sei die Debatte um einen EU-Austritt jetzt kein Randthema mehr, sagte Parteichef Nigel Farage.
Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson, einer der treibenden Euroskeptiker unter den Tories, begrüßte die Rede Camerons hingegen. "Was die meisten vernünftigen Menschen wollen, ist, im Binnenmarkt zu bleiben, aber die irritierenden Auswüchse der EU zu beschneiden", sagte er.
"Raus-oder-Rein-Referendum"
Cameron hatte den Verbleib Großbritanniens in der EU infrage gestellt. Nach einer möglichen Wiederwahl 2015 wolle er die Bevölkerung bis 2017 über den Verbleib abstimmen lassen. Es werde ein "Raus-oder-Rein-Referendum" sein, sagte Cameron.
Voraussetzung für einen Verbleib in der EU sei deren Reform. Das Bündnis müsse flexibler, wettbewerbsfähiger und demokratischer werden, sagte Cameron weiter. Es müsse auch möglich sein, dass Befugnisse zurück an die Mitgliedsländer gingen. In ihrem jetzigen Zustand drohe die EU zu scheitern - was er aber nicht wolle.
Camerons Rede war bereits mehrmals verschoben worden. Schon vor einem halben Jahr gab es Spekulationen über eine Grundsatzrede zum Verhältnis zur EU. Ein Redetermin vergangene Woche war wegen der Geiselnahme in Algerien abgesagt worden.
Der euroskeptische Flügel von Camerons Partei hatte sich für eine solche Volksabstimmung starkgemacht. Laut jüngsten Umfragen sind 56 Prozent der Briten für einen EU-Austritt.