Einigung bei Sondergipfel EU gewährt weiteren Brexit-Aufschub
Auf ihrem Sondergipfel haben die EU-Staaten einem Brexit-Aufschub bis zum 31. Oktober zugestimmt. Premierministerin May will heute das Parlament in London unterrichten.
Es geht also doch in die Verlängerung. Ein chaotischer Brexit in der Nacht zum Samstag ist vom Tisch, Theresa May bekommt noch einmal einen Aufschub, diesmal bis zum 31. Oktober. Einen Tag später trifft sich die neue EU-Kommission zum ersten Mal.
Allerdings hat sich die EU diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Erst weit nach Mitternacht konnte Ratspräsident Donald Tusk die Einigung vermelden. Er sieht die Verantwortung für den weiteren Verlauf jetzt eindeutig auf der britischen Seite.
Sie kann nach wie vor das Austrittsabkommen annehmen, dann wäre der Aufschub sofort zu Ende, sie kann ihre Brexit-Strategie insgesamt überdenken oder den Austrittsantrag zurückziehen und den Brexit abblasen.
Den sechsmonatigen Aufschub nennt Tusk so flexibel wie erwartet, allerdings etwas kürzer als er sich das vorgestellt habe. Er schiebt deshalb eine dringende Bitte Richtung London hinterher: Bitte verschwendet diese Zeit nicht.
Schwerer Gang für May
Für die britische Premierministerin Theresa May war die erneute Reise nach Brüssel ein weiterer, schwerer Gang. Denn zu Hause in London hält sich die Begeisterung über eine neue Brexit-Verlängerung in ziemlich engen Grenzen:
Ich weiß, viele sind frustriert und enttäuscht, dass dieses Treffen hier überhaupt stattfinden muss, weil Großbritannien jetzt schon aus der EU ausgetreten sein sollte, und ich bedauere es wirklich sehr, dass das Parlament nicht in der Lage war, dem Austrittsabkommen zuzustimmen, denn dann hätten wir die Union in einem geregelten Verfahren verlassen können.
Dass May durchhält, dass sie trotz aller Rückschläge und Widerstände auch aus den eigenen Reihen immer noch da ist - das nötigt ihren europäischen Amtskollegen inzwischen Respekt ab - auch wenn sich viele ein Ende des scheinbar endlosen Tauziehens herbeiwünschen.
Ob sie denn mit der britischen Ministerpräsidentin Mitleid hat, wird Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite gefragt:
Nein. Ich unterstütze sie. Denn ich habe in meinem Leben noch keinen politische Führungsfigur gesehen, die so ein Durchhaltevermögen hat, so viel Kraft und so viel Geduld.
Macron geht auf Distanz
Besonders ungeduldig hatte sich zuletzt Emmanuel Macron gezeigt. Frankreichs Staatspräsident sieht einen langen Aufschub auch deshalb skeptisch, weil er um seine Reformpläne fürchtet, wenn sich das britische Drama weiter in die Länge zieht.
Es ist unverzichtbar, dass in den nächsten Monaten das europäische Projekt nicht gefährdet wird. Wir müssen eine Wiedergeburt Europas bewerkstelligen, davon bin ich zutiefst überzeugt, und der Brexit darf uns dabei nicht blockieren.
Schier unendliches Tauziehen
Die EU hat Wichtigeres zu tun, als sich pausenlos um den Brexit zu kümmern, findet auch der belgische Ministerpräsident Charles Michel:
Ich will nicht zur Geisel der politischen Probleme im britischen Parlament werden.
Werden die Briten demnächst wirklich versuchen, der EU Sand ins Getriebe zu streuen, wie das einige besonders überzeugte Brexiteers schon angekündigt haben? Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel glaubt das nicht, weil er Großbritannien in der EU bisher anders erlebt habe.
Das war eine konstruktive Zusammenarbeit, und ich hoffe, dass das auch so bleibt - auch wenn ich dafür keine hundertprozentige Garantie habe.