Britisches Parlament Beim Brexit mundtot gemacht
Die Johnson-Regierung hat beim Brexit freie Hand: Das Unterhaus hat sich mit der Mehrheit der Tories die letzten Kontrollmöglichkeiten nehmen lassen. Im Oberhaus regt sich Widerstand - wohl vergeblich.
Im britischen Oberhaus wird in dieser Woche Boris Johnsons Brexit-Gesetz debattiert, die Grundlage für den formalen Austritt aus der EU am 31. Januar. Ein wichtiger Punkt dabei: Das Parlament hat ab sofort beim Brexit kein Mitspracherecht mehr. Der Passus, der dem Parlament die Kontrolle und die Übersicht über die Brexit-Verhandlungen garantierte, wurde von Johnson direkt nach der gewonnenen Wahl im Dezember gestrichen.
Das Unterhaus, in dem die Tories jetzt eine überwältigende Mehrheit haben, nahm diese Version so an und das Gesetz wurde am vergangenen Donnerstag deshalb geräuschlos durchgewunken. De facto bedeutet das, dass es in Zukunft im Parlament keinerlei Widerspruch und keine echten Diskussionen zum Brexit mehr geben wird.
Johnson kann tun und lassen, was er will
Ganz anders als im letzten Jahr, als eine Mehrheit der Abgeordneten große Bedenken gegen einen harten Brexit hatte - so wie Johnson ihn jetzt weiterhin vorhat - und die Parlamentarier im Unterhaus Bedenken und Widerspruch vorbrachten.
Da Großbritannien keine schriftlich verankerte Verfassung hat und die Kontrolle der Regierung durch das Parlament allein auf Tradition und Konventionen beruht, bedeutet der Wegfall des parlamentarischen Einspruchsrechts beim Brexit, dass die Johnson-Regierung ab sofort im Prinzip hier tun und lassen kann, was sie will.
Lords wehren sich
Ausgerechnet im nicht gewählten Oberhaus regt sich nun Widerspruch dagegen. Ein Bericht des EU-Komitees im House of Lords kommt zu dem Schluss, dass der Weg, den die Johnson-Regierung eingeschlagen hat, zwar nicht illegal ist, aber dennoch einen ernsthaften Bruch mit der verfassungsrechtlichen Konvention darstellt. Er fordert die Regierung auf, stärker mit dem Parlament zusammenzuarbeiten.
Lord John Kerr, einer der Co-Autoren des Berichts, erklärt im Interview mit tagesschau.de, dass "jede Regierung mit einer so großen Mehrheit wie die jetzige im Prinzip eine gewählte Diktatur darstellt, wenn sie die auf Tradition beruhende Verfassung ignoriert".
"Rechtlich delikates Gelände"
Johnson wagt sich seiner Meinung nach hier in ein "rechtlich delikates Gelände" vor, da er die von der ungeschriebenen Verfassung vorgesehene Kontrollfunktion des Parlaments missachtet, indem er das zuvor im Brexit-Gesetz verankerte Mitspracherecht zum EU-Austritt gestrichen hat.
"Die Regierung argumentiert, dass dies außergewöhnliche Zeiten sind und deshalb außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich sind. Ich wüsste aber gern von dieser Regierung, wieso wir uns gerade in diesen außergewöhnlichen Zeiten nicht mehr an unsere bewährten Regeln und Gesetze halten sollten", sagt Kerr. Über den Bericht des EU-Ausschusses wird in dieser Woche im Oberhaus diskutiert. Praktische Konsequenzen dürfte er nicht haben.