Abstimmung im Unterhaus Nun geht es um den No-Deal-Brexit
Nach dem gestrigen Nein zum Austrittsabkommen mit der EU stimmt das britische Unterhaus heute über einen ungeregelten Brexit ab. Premierministerin May warnt vor den möglichen Folgen.
Der Unterhaussprecher John Bercow verkündete lauthals die Niederlage von Theresa May: 391 Abgeordnete stimmten gegen das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen, nur 242 dafür. Bereits im Januar war May mit ihrem Deal krachend gescheitert.
An einen Rücktritt scheint die britische Premierministerin derzeit trotzdem nicht zu denken. Unter normalen Umständen wäre das der nächste Schritt. Aber es sind keine normalen Zeiten in Großbritannien. Stattdessen geht der Abstimmungsmarathon weiter.
Votum über No-Deal-Brexit ohne Fraktionszwang
Heute können die Abgeordneten - wie versprochen - über einen No-Deal-Brexit abstimmen, einen EU-Austritt ohne Abkommen. Das kündigte May gestern mit krächzender Stimme an. "Dieses Thema ist von erheblicher Bedeutung für die Zukunft unseres Landes", sagte sie. "Genau wie bei einem zweiten Referendum gibt es legitime Ansichten darüber auf beiden Seiten. Aus diesem Grund wird es keine Fraktionspflicht geben."
May sagte, sie wolle sich weiterhin dafür einsetzen, dass das Ergebnis des Brexit-Referendums umgesetzt wird. Sie selbst glaube jedoch, der beste Weg, aus der EU auszutreten, sei auf geordnete Weise. Sollte sich eine Mehrheit gegen einen No-Deal-Brexit entscheiden, sollen die Abgeordneten am morgigen Donnerstag über eine Verschiebung des Austrittstermins entscheiden können.
Premierministerin May tritt trotz der abermaligen Niederlage im Parlament nicht zurück.
"Wenn das Unterhaus für eine Verschiebung des Brexit stimmt, dann werden wir den entsprechenden Antrag dafür stellen und die rechtliche Grundlage dafür schaffen", kündigte May an. Sie warnte zugleich davor, dass ein Votum für eine Verlängerung bei gleichzeitiger Ablehnung des Abkommens keine Probleme löse. "Die EU wird wissen wollen, was wir mit der Verlängerung machen wollen, und diese Frage müssen wir beantworten: Wollen sie ein zweites Referendum oder wollen sie die EU mit einem Deal, aber nicht mit diesem Deal, verlassen."
Keine Alternative ist mehrheitsfähig
Das Problem: Die einzelnen Splittergruppen bei Labour und bei den Tories wissen genau, was sie wollen. Nur mehrheitsfähig ist bislang keine der Alternativen. Der stellvertretende DUP-Vorsitzende Nigel Dodds hatte mit seiner Partei gegen das Abkommen gestimmt. Der notwendige Fortschritt beim Thema "Backstop", der Notfalllösung für die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland, sei noch nicht erreicht worden. "Unsere Position ist simpel", sagte Dodds. "Wenn wir ein gutes Abkommen hinbekommen wollen, dann müssen wir einen No-Deal-Brexit auf dem Tisch lassen." Nur so könne der Druck gegenüber der EU aufrecht erhalten werden.
Der oppositionelle Labour-Chef Jeremy Corbyn machte nach der Abstimmung erneut einen Vorstoß. Bislang war auch er allerdings damit erfolglos. Er favorisiert einen weicheren Brexit. "Wir wollen eine Zollunion, Zugang zum Binnenmarkt. Dafür wird es vielleicht eine Mehrheit geben", sagte Corbyn. "Theresa May hat auf Zeit gesetzt, jetzt läuft die Zeit für sie aus. Jetzt sollte es Neuwahlen geben. Dann können die Menschen wählen, was für eine Regierung sie wollen."
Mehrheit gegen No-Deal-Brexit wahrscheinlich
Nur zweieinhalb Wochen vor dem Brexit bleibt die Lage unübersichtlich. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit bei der heutigen Abstimmung gegen einen No-Deal-Brexit entscheidet. Für den Politikwissenschaftler vom Londoner King's College, Anand Menon, befindet sich die britische Premierministerin in einem Dilemma. "Sollte sich Theresa May einem weicheren Brexit, also Labour annähern, würde sie mit jeder Labour-Stimme, die sie damit gewinnt, einen Tory verlieren. Dann wird sich die konservative Partei nur weiter spalten", sagte Menon.