Britisches Unterhaus Abstimmung über Brexit-Deal noch heute?
Ein möglicher Brexit-Deal mit der EU steht. Doch in London wird weiter gestritten. Nachdem die Regierung vom Unterhaus gezwungen wurde, eine Frist-Verlängerung zu beantragen, könnte es heute zur Abstimmung über den Deal kommen.
Das britische Parlament kann möglicherweise noch heute über das zwischen Premierminister Boris Johnson und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen abstimmen. Die Entscheidung darüber will Parlamentspräsident John Bercow am Nachmittag im Unterhaus bekanntgeben. Gibt er den Weg dafür frei, könnten die Abgeordneten noch am späten Nachmittag oder abends abstimmen.
Hat Johnson genug Stimmen zusammen?
Allerdings ist völlig offen, ob Johnson eine Mehrheit für seinen Brexit-Vertrag bekommt. Außenminister Dominic Raab sicherte weitere Gespräche mit der nordirischen Regionalpartei DUP zu, damit diese sich doch auf die Seite des Deals stellt. Johnson habe aber wohl genug Stimmen, um das Abkommen absegnen zu lassen, sagte Raab. "Wir werden am 31. Oktober austreten", sagte zudem der für Brexitfragen zuständige Michael Gove im Sender Sky News. "Wir haben dazu die Mittel und die Fähigkeit."
Eine Einschätzung von Thomas Spickhofen, ARD-Studio London
Man bereite sich zudem auf einen ungeregelten Brexit vor: Falls keine Verschiebung garantiert werde, wolle man sicherstellen, alles Mögliche für einen EU-Austritt ohne Scheidungsabkommen getan zu haben, sagte Gove. Dessen Warnung sollte möglicherweise Druck auf die britischen Abgeordneten erhöhen, das Brexit-Abkommen zu stützen.
Die Konservativen des Premiers haben lediglich 288 von 650 Sitzen im Unterhaus, Johnson braucht also die Unterstützung von einigen oppositionellen Abgeordneten.
Labour fordert eine Volksabstimmung
Die größte Oppositionspartei, Labour, fordert derweil eine Volksabstimmung über die Einzelheiten des Brexits. Jedes Austrittsabkommen solle in einem Referendum zur Abstimmung gestellt werden, insbesondere das aktuelle von Johnson, sagte Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer. Als Alternative solle ein Verbleib in der EU auf dem Stimmzettel stehen.
Raab sicherte weitere Gespräche mit der DUP zu.
Regierungschef Johnson steht unter sehr großem Zeitdruck: Er hat immer wieder versprochen, Großbritannien am 31. Oktober - also in etwa eineinhalb Wochen - aus der Europäischen Union zu führen. Das Parlament hatte am Samstag eine Entscheidung über das Abkommen verschoben und Johnson damit eine empfindliche Niederlage zugefügt. Die Abgeordneten stimmten für einen Antrag, der vorsieht, dass die Entscheidung vertagt werden soll, bis das entsprechende Ratifizierungsgesetz verabschiedet ist.
Die Folge: Johnson war damit per Gesetz verpflichtet, in Brüssel eine Verlängerung der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus zu beantragen. Ziel der Vertagung im Unterhaus war, einen No Deal auszuschließen.
Im Falle eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft drohen chaotische Verhältnisse. In Prognosen wird unter anderem mit langen Wartezeiten für Lastwagen am Ärmelkanal, Engpässen bei Lebensmitteln und Arzneien sowie mit starken Protesten gerechnet.