Belgien und seine Atomkraftwerke Feuer, Haarrisse, Wasserlecks
Zwischenfälle in belgischen AKW sind derzeit fast Routine. Der Reaktor Doel 3 bei Antwerpen bleibt wegen eines Wasserlecks auf jeden Fall erstmal abgeschaltet. Der Meiler in Tihange ist dagegen wieder am Netz. Betreiber und Regierung beschwichtigen.
Es ist derzeit eine ziemliche Sisyphos-Arbeit in den belgischen Atomkraftwerken: Kaum ist das eine repariert, scheint an anderer Stelle wieder etwas kaputt zu sein.
Antwerpen am Morgen: Eigentlich wollten die Techniker im dritten Reaktorblock des AKW Doel nur eine defekte Schweißnaht ausbessern, durch die während der Weihnachtsfeiertage Wasser ausgelaufen war, da stoßen sie an anderer Stelle auf einen defekten Schalter. Der wiederum ist für die Stromversorgung der Anlage wichtig und auch noch so kompliziert, dass man ihn nicht einfach herausschrauben kann. Also muss eine Spezialfirma ran, und weil im Moment kaum ein Fachmann arbeitet, bleibt der Reaktor mindestens eine weitere Woche vom Netz.
In Tihange brannte eine Schalttafel
Ganz ähnlich sieht es am anderen Standort der belgischen Atomkraftwerke aus: in Tihange bei Lüttich, rund 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Hier hatte vor Weihnachten eine Schalttafel gebrannt - im nicht-nuklearen Bereich, wie es heißt.
Das alles sind nur die jüngsten Pannen. In den Monaten zuvor wurden Sabotage, unaufmerksame Mitarbeiter oder auch Tausende Haarrisse in den Druckbehältern einzelner Blöcke gemeldet.
"Von einer Gefahr für die Menschen auch in Deutschland", spricht die Vorsitzende des Bundestagsumweltausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), mit Blick auf das angrenzende Belgien. Offensichtlich sei die Versorgungssicherheit den Belgiern wichtiger als die Sicherheit der Menschen.
Betreiber hat "alles im Griff"
Ein Vorwurf, den man beim belgischen Betreiber, bei Electrabel, natürlich weit von sich weist. Für das Unternehmen ist der Ablauf inzwischen in gewisser Weise Routine. Wann immer sich zuletzt ein kleiner Zwischenfall ereignete, trat Sprecherin Els de Clercq vor die Kameras und wurde nicht müde zu betonen: Wir haben alles im Griff, die belgischen Atomkraftwerke sind sicher. "Dafür investieren wir jedes Jahr Hunderte Millionen Euro allein in unser Kraftwerk Doel. Davon abgesehen muss man einfach gut vorbereitet zu sein, um ruhig und effektiv zu reagieren."
Die Angst vor dem "Blackout"
Belgiens Mitte-Rechts-Regierung steht hinter dieser Linie. Erst Anfang Dezember hatte man verkündet, die Atomkraftwerke bis mindestens 2025 am Netz zu lassen. Manch ein Reaktor wird dann 50 Jahre alt sein. Für Premierminister Charles Michel ist das auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit seines Landes, denn immer mal wieder geistert das Szenario eines "Blackouts" durch die Medien - also dass das Land vor allem im Winter ohne ausreichenden Strom dastehen könnte.
Für die Opposition ist das kein Argument. Grünen-Fraktionschef Kristof Calvo: "Jede Woche, jeden Monat wieder ein neuer Zwischenfall. Die Anlagen sind einfach zu alt. Es wird Zeit in erneuerbare Energien zu investieren."
Ganz ähnlich sieht das seine deutsche Parteifreundin Bärbel Höhn, einst Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen und jetzt Chefin des zuständigen Ausschusses im Bundestag. Sie verlangt im WDR Gespräche auf höchster Ebene. Belgien sei ganz offensichtlich nicht bereit, die Nachbarländer ausreichend über den wirklichen Zustand der Atomreaktoren zu informieren. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks müsse persönlich mit ihrer Amtskollegin in Brüssel reden - nur so könne man genug Druck ausüben. Hendricks selbst hatte zuletzt von "Flickschusterei" in Belgien gesprochen.