Druck auf Medien in Indien Was Modis Kritiker riskieren
Umworben im Ausland, restriktiv in der Heimat: Indiens Premier Modi fährt eine harte Linie. Oppositionelle werden bedroht, unliebsamen Journalisten wird der Geldhahn zugedreht. Ist die größte Demokratie der Welt in Gefahr?
Er ist vielen Anhängern der Regierung Indiens ein Dorn im Auge: der Journalist Hartosh Bal. Weil er das tut, was Journalisten tun und seit Jahren auf kritische Recherche setzt, egal, wer regiert. Doch Leute wie Bal gibt es immer weniger in Indiens Medien.
Bal spricht von "strukturelle Problemen" in der Medienlandschaft des Landes. Die privaten Medien, so Bal, würden "von Oligarchen finanziert", und die hätten vielfältige Geschäftsinteressen. Um erfolgreich zu sein, brauche man aber "die Regierung an seiner Seite".
Bal ist Chefredakteur des Magazins "Caravan", am ehesten vergleichbar mit dem "Spiegel" in Deutschland. Bal sagt, es gebe eigentlich nur noch regierungsfreundliche Eintönigkeit in den Zeitungen und Fernsehsendern, und das liege nicht einmal an den Kollegen:
Die Eigentümer üben die vollständige Kontrolle über ihre Institutionen aus. Das heißt, die Journalisten sind den Entscheidungen der Besitzer schutzlos ausgeliefert. Sie können jederzeit entlassen werden. Sobald der Eigentümer auf die Linie der Regierung einschwenkt, folgt das ganze Medium diesem Beispiel."
Umworben wie kaum eine andere Regierung
Seit 2014 regieren die Hindu-Nationalisten der Partei BJP mit Premierminister Narendra Modi an der Spitze. Derzeit wird sie umworben wie kaum eine andere Regierung in der Welt. Bundeskanzler Olaf Scholz traf sich in den vergangenen zwölf Monaten allein vier Mal mit Modi.
Neben Wirtschaftsfragen und der Suche nach Fachkräften ist eines der wichtigsten Ziele, Indien im Krieg gegen die Ukraine an die Seite des Westens zu bekommen. Doch Modi ziert sich und hält sich lieber alle Türen offen.
Nach Angaben aus Moskau importierte Indien beispielsweise zuletzt rund zwanzigmal mehr russisches Öl als in den Jahren zuvor.
Kritik an Modi - und die Folgen
Innenpolitisch häufen sich die Auffälligkeiten. Manche Beobachter fragen gar schon, ob Indiens Demokratie kippt. So wurde dem wichtigsten Oppositionspolitiker Rahul Gandhi per Gerichtsbeschluss das Parlamentsmandat entzogen, weil sich Regierungschef Modi beleidigt fühlte.
Es ging dabei um einen umstrittenen Wahlkampfauftritt aus dem Jahr 2019, bei dem Gandhi gefragt hatte, wie es sein könne, "dass alle Diebe den Nachnamen Modi haben". Er bezog sich auf zwei flüchtige Geschäftsleute, die Modi hießen - und auf den Ministerpräsidenten. Für diese Äußerung wurde Gandhi unlängst zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen Rufschädigung verurteilt, gegen das Urteil ging er inzwischen in Berufung.
Aus dem Parlament sei er "rausgeschmissen worden", sagte Gandhi, weil Modi "Angst vor meiner nächsten Rede" habe - das habe er "in seinen Augen gesehen".
Eine Fall von "Vorurteilen"?
Der Fall sorgte international für Aufsehen. Selbst die Bundesregierung ließ wissen, man erwarte, dass die demokratischen Standards eingehalten werden.
In Neu-Delhi reagiert man verschnupft auf die Kritik. Indiens Justiz sei unabhängig, betont Kanchan Gupta ziemlich bestimmt. Er ist Chefberater des indischen Informationsministeriums: "Bitte seien Sie professionell kritisch. Wir haben keine Probleme mit Gegnern, aber bringen Sie nicht Ihre Vorurteile mit und sagen Sie uns bitte nicht, wie wir unser Land führen sollen!"
"Hasskampagnen" inzwischen "alltäglich"
Doch vor allem für Journalisten wird das Leben in Indien immer schwerer. Laut "Reporter ohne Grenzen" liegt Indien in Sachen Pressefreiheit nur noch auf Platz 150.
Die Organisation schreibt auf ihrer Internetseite unter Berufung auf den jüngsten Jahresbericht: "Hasskampagnen gegen Medienschaffende bis hin zu Aufruf zum Mord sind in sozialen Netzwerken alltäglich und werden von Trollarmeen aus dem Umfeld der hindunationalistischen Regierung befeuert."
Insbesondere Frauen seien von den Kampagnen betroffen, und behördenkritische Journalisten würden oft "mit Strafverfolgung mundtot gemacht".
Ein Beispiel aus den vergangenen Wochen: Nach einer kritischen Dokumentation über den Premier zum Beispiel stand plötzlich vor wenigen Wochen die Steuerfahndung in einem Büro des britischen Senders BBC.
Freie Wahlen - aber einseitige Berichterstattung
"Caravan"-Chefredakteur Bal zeigt sich noch entspannt. Bislang kann er so arbeiten, wie er es für nötig hält, weil sein Herausgeber hinter ihm steht. Zwar sieht Bal vieles anders als die Vertreter seiner Regierung, doch er glaubt weiter an die Möglichkeit von Veränderungen durch Wahlen - und diese seien weiter frei.
Das Problem sei aber: In fast allen Medien werde nur noch die Sichtweise der Regierung heruntergebetet. Und der fehlende Diskurs sei eben keine gute Perspektive für die "größte Demokratie der Welt".