Ende einer Amtszeit Barroso?
Nach zehn Jahren endet die Amtszeit von EU-Kommissionspräsident Barroso. Obwohl viel passiert ist, galt er nicht als Steuermann in Zeiten des Umbruchs. Persönliche Leistungen kann er kaum vorweisen. Viele EU-Bürger wissen nicht mal, wer er ist.
Er war der Chef der mächtigen EU-Kommission. Und das zehn Jahre lang. Doch wie wird José Manuel Barroso in Deutschland wahrgenommen? Eine Umfrage zeigt, dass nicht jeder etwas mit seinem Namen anzufangen weiß. Einige vermuten, er sei ein Vertreter der Vereinten Nationen, andere glauben, er sei portugiesischer Präsident. Viele wissen zumindest, dass er etwas mit der EU zu tun hat. Aber nur wenige wissen genau, was Barroso ist: "Der scheidende Präsident der Kommission."
Seine Mannschaft, die Kommission, besteht aus 28 Vertretern. Einer aus jedem Mitgliedsland der EU. Die Kommission schlägt Gesetze vor und achtet darauf, dass sie auch eingehalten werden.
Merkel unterstützte Barrosos Wahl
2004, als Barroso als Kommissionschef anfing, war er nicht die erste Wahl. Doch als Christdemokrat gehörte er zur passenden Partei. Mächtige Regierungschefs und Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel machten sich stark für seine Wahl und später für seine Wiederwahl.
In den zehn Jahren, in denen der Portugiese Kommissionspräsident war, gab es große Umbrüche. Die EU verdoppelte sich zahlenmäßig fast - von 15 auf 28 Mitgliedsstaaten. Sechs weitere Länder bekamen den Euro als Währung. Die Finanzkrise erschütterte von 2007 an die EU. Und: Der Vertrag von Lissabon, die rechtliche Grundlage der Europäischen Union, trat 2009 in Kraft.
"Wir haben das weltweit ehrgeizigste Programm zum Klimaschutz auf den Weg gebracht", sagt Barroso zum Abschluss seiner Amtszeit. "Wir haben unsere Regeln für Banken grundsätzlich reformiert. Und wir haben eine dauerhafte finanzielle Brandschutzmauer hochgezogen."
Keine Frage: In Brüssel ist in den vergangenen Jahren viel passiert, aber wenig davon sei eindeutig auf den Kommissionspräsidenten zurückzuführen, sagen Kritiker. Barroso galt bei vielen als konfliktscheu, entscheidungsschwach, nicht besonders durchsetzungsfähig. Und manchmal als ein wenig zu eitel. Vor allem in der Finanzkrise habe Barroso zu zögerlich gehandelt, und sich damit zum Spielball der Staats- und Regierungschefs gemacht, meint Janis Emmanoulidis von der unabhängigen Brüsseler Denkfabrik European Policy Center. "Die Kommission war oftmals politisch marginalisiert", sagt er. "Aber es war auch sehr schwierig für die Kommission, in dieser diffizilen Zeit das Ruder in der Hand zu halten."
Kein markanter Macher
Barroso der Steuermann mit dem Ruder in der Hand? Dieses Bild wird man wohl vergeblich in den Geschichtsbüchern suchen. Der Portugiese war als Kommissionschef kein markanter Macher, sondern eher ein sanfter Ausgleicher. Vielleicht ist es deshalb auch so schwierig etwas zu finden, wofür José Manuel Barroso steht. "Ich kenne den Namen, aber ich weiß nicht, was ich damit verbinden muss", ist eine Antwort in Umfragen. Eine andere lautet: "Dass er jetzt irgendwie eine besondere politische Leistung vollbracht hat, ist mir nicht in Erinnerung."
Seine politische Leistung besteht wohl darin, den schwierigen EU-Laden am Laufen gehalten und die europäischen Staats- und Regierungschefs eher zusammen als auseinander gebracht zu haben, meint der Brüsseler Politologe Emmanoulidis und würde ihm deshalb eine passable Abschlussnote geben: "Ich glaube, mit Blick auf Barroso, wäre es aktuell eine zwei bis drei."
Kritiker würden Barroso deutlich schlechter bewerten. Denn für sie hätte in den vergangenen zehn Jahren mit mehr guten Ideen, Engagement und Leidenschaft viel mehr passieren können in Europa und für Europa. Was macht ein Mann, der zehn Jahre lang an der Spitze der EU stand, danach? Erst einmal Pause, sagt Barroso. Und dann? "Ich werde einige Konferenzen und Vorlesungen an der Universität in Brüssel geben", sagt Barroso. "Aber ich habe noch keine abschließende Entscheidung über politische Ämter getroffen, weder in meinem Heimatland noch bei den Vereinten Nationen." Während andere über Altersteilzeit nachdenken, wünscht sich der 58-Jährige einen neuen Job: als künftiger Generalsekretär der Vereinten Nationen in New York.