Ein Jahr nach dem Aufstand Was macht die Wagner-Gruppe heute?
Vor einem Jahr zettelte Prigoschin, der Chef der russischen Privatarmee Wagner, einen Aufstand gegen Moskau an. 24 Stunden lang hielt er das Land in Atem. Was ist aus der Gruppe geworden?
Gegen den Kreml erhebt sich niemand ungestraft. Nach dem Ende des Wagner-Aufstandes wurde deshalb Jewgenji Prigoschin, der Chef der Gruppe, in Russland ein "laufender Toter" genannt. Zwei Monate lang. Dann starben Prigoschin und andere Männer der Wagner-Führung bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz. Unter den Toten war auch Dimitrij Utkin, ein Mitbegründer des Söldnerverbandes. Utkins Kampfname war Wagner. Auf ihn ging der Name der Gruppe zurück.
"Nur der Mond am Himmel, nur Krieg im Herzen und der verrückte Tango des Todes. Also komm, Wagner, spiel…" heißt es im Refrain der Wagner-Hymne. Verhallt ist die noch nicht. Zu viele Menschen in Russland schätzen die Unerschrockenheit und auch die Brutalität, mit der Wagner-Söldner in der Ukraine vorgingen.
Auflösung der Wagner-Gruppe
Sympathie für Andere stellt aber eine Gefahr für den Kreml dar, sagte jüngst Valerij Schirjajew, ein Militärexperte, im YouTube-Kanal der oppositionellen Nowaja Gaseta. "Es wurde deshalb die Entscheidung getroffen, diese konzentrierte Lösung in kleineren Gefäßen zu verdünnen." Also, die Wagner-Gruppe aufzulösen und ihre Söldner auf andere Kräfte zu verteilen.
Apti Alaudinow, Kommandeur der tschetschenischen Ahmat-Truppe, bestätigte das vergangenen April. Wagner gebe es nicht mehr. "Fakt ist, dass wir eine Vereinbarung erzielt haben über die Bildung eines Regiments von 3.000 Mann." Im Rahmen dieses Regiments gehörten nun Ex-Wagner-Männer zur Sondereinsatztruppe Ahmat. Die Ahmat soll derzeit auch nahe der ukrainischen Stadt Charkiw im Einsatz sein.
Einsatz in einigen Staaten Afrikas
Andere Wagner-Milizionäre unterstehen mittlerweile dem russischen Verteidigungsministerium als Mitglieder des "Afrikanski Korpus", des "Afrikakorps". Die Einheiten sind in vielen vor allem gescheiterten oder von Chaos erschütterten Staaten Afrikas aktiv - in Mali, Burkina Faso, Niger, der Zentralafrikanischen Republik und in Libyen. Immer darum bemüht, die zweifelhaften, führenden Köpfe der jeweiligen Länder zu unterstützen und deren Schätze zu "sichern": Gold, Öl, seltene Erden. Oder, wie es im Februar der Wagner-Ex-Kommandeur Anton Jelisarow ausdrückte: "Wir arbeiten zum Wohl Russlands, und zwar ziemlich erfolgreich."
Und der Machthaber von Belarus, Alexander Lukaschenko? Er hatte vor einem Jahr den Kompromiss zwischen Kreml und Wagner-Chef Prigoschin ausgehandelt und Wagner eingeladen, in sein Herrschaftsgebiet zu kommen. Aber Belarus scheint als Einsatzgebiet nicht so beliebt zu sein.
Mit anderen Worten sagte das vor wenigen Tagen auch Schirjajew, im YouTube-Kanal der Nowaja Gaseta: "Ein Teil, ich denke, ein ganz kleiner Teil soll in Belarus bei Lukaschenko als Ausbilder geblieben sein." Manche Wagner-Söldner wurden auch in die Nationalgarde integriert. Und: "Ein sehr großer Teil blieb zu Hause", so Gaseta.
Rekrutierung von Söldnern aus dem Gefängnis
Was aber auch ein Problem darstellt: Die Wagner-Führung um Prigoschin hatte viele Söldner in den Gefängnissen Russlands rekrutiert - im Gegenzug für Straffreiheit nach dem Einsatz. Daher sind aus ganz Russland Dutzende Beispiele verurteilter Mörder, Vergewaltiger und anderer Schwerverbrecher bekannt, die Kämpfe überlebt haben und in Freiheit leben.
Das soll die Zahl von Delikten häuslicher Gewalt und Straftaten in Russland überhaupt erhöht haben. Nicht jeder von ihnen dürfte straffällig geworden sein, aber nach dem Aufstand im vergangenen Jahr und noch vor seinem Tod behauptete Prigoschin, 32.000 von ihm rekrutierte Sträflinge seien aus dem Krieg nach Russland zurückgekehrt.