Israelische Aktivisten nehmen an einem Protest teil, als sie den Eingang zum Büro des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA)  blockieren. (Archivbild vom 20. März 2024)

Beschluss der Knesset UNRWA darf nicht mehr in Israel arbeiten 

Stand: 28.10.2024 21:31 Uhr

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA darf nicht mehr auf israelischem Boden aktiv sein. Das hat das israelische Parlament beschlossen. Für die Arbeit der Organisation in den Palästinensergebieten dürfte das gravierende Folgen haben.

Das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) muss seine Arbeit in Israel im kommenden Jahr einstellen. Das israelische Parlament billigte ein umstrittenes Gesetz, das der Organisation die Tätigkeit auf israelischem Staatsgebiet untersagt. Damit wird die Arbeit der UN-Helfer in den Palästinensergebieten massiv eingeschränkt, denn Israel kontrolliert die Grenzübergänge dorthin.

Im israelischen Parlament mit 120 Sitzen stimmten 92 Abgeordnete der Regierung und der Opposition für das Vorhaben, zehn Abgeordnete sprachen sich dagegen aus.

Kontakt mit UNRWA wird untersagt

Israel wirft dem UNRWA vor, einige seiner Mitarbeiter seien direkt an Terroraktivitäten beteiligt gewesen, etwa an dem Überfall der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober auf Israel, der Auslöser des Gaza-Kriegs war. Zudem solle die Organisation als Ganzes von der Hamas unterwandert sein.

Behörden in Israel soll zudem jeglicher Kontakt mit der Organisation untersagt werden, sobald das neue Gesetz in Kraft tritt. Dies soll binnen 90 Tagen nach seiner Veröffentlichung geschehen. Das Hilfswerk ist dadurch gezwungen, jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium einzustellen - dies betrifft vor allem den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems.

Vor der Abstimmung kam es im Parlament zu wütenden Debatten. Ein arabischer Abgeordneter sprach von einem "faschistischen Gesetz", Ziel sei die fortwährende Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Die Initiatoren reagierten mit lautem Geschrei, eine Abgeordnete musste nach mehreren Mahnungen aus dem Saal entfernt werden.

 

Israel stuft Palästinenserhilfswerk UNRWA als Terrororganisation ein

Philip Kuntschner, ARD Tel Aviv, tagesthemen, 28.10.2024 22:15 Uhr

Lazzarini: Leid der Palästinenser wird schlimmer

Das UNRWA leistet seit 1949 mit Zehntausenden Mitarbeitenden Hilfe für palästinensische Flüchtlinge im Gazastreifen, im Westjordanland, in Jordanien, im Libanon und in Syrien. Besonders im abgeriegelten Gazastreifen gilt die UNRWA-Hilfe als alternativlos für das Überleben der mehr als zwei Millionen Palästinenser in dem Küstengebiet.

UNRWA-Chef Philippe Lazzarini kritisierte das Verbot scharf. Es führe dazu, dass sich das Leid der Palästinenser, insbesondere in Gaza, nur verschlimmern werde. Das Votum stelle einen gefährlichen Präzedenzfall dar und verstoße gegen die UN-Charta, schrieb er auf X und warf Israel eine "Kampagne zur Diskreditierung der UNRWA" vor. UNRWA-Kommunikationsdirektorin Juliette Touma nannte das Gesetz eine Katastrophe. "Das UNRWA ist die größte humanitäre Organisation im Gazastreifen", sagte sie. "Wer kann seine Arbeit machen?"

UNRWA entließ Mitarbeiter

Nach den ersten Vorwürfen aus Israel gegen das Hilfswerk zu Beginn des Jahres hatten viele Staaten ihre Zahlungen an das UNRWA vorübergehend ausgesetzt - auch Deutschland. Im August verkündete das UN-Hilfswerk die Entlassung von neun Mitarbeitern wegen einer möglichen Beteiligung am Hamas-Überfall.

Eine unabhängige Kommission untersuchte die Mechanismen und Verfahren der UN-Einrichtung, die die Einhaltung von Neutralitätsprinzipien garantieren sollen, und bescheinigte dem UNRWA im April "Probleme mit der Neutralität". Zugleich sagte die Kommissionsleiterin damals, Israel müsse für die Vorwürfe, unter den UNRWA-Mitarbeitern seien viele Unterstützer von Terror-Organisationen, Beweise liefern.

Internationale Kritik im Vorfeld

UN-Generalsekretär António Guterres und wichtige westliche Verbündete Israels hatten sich klar gegen die israelischen Pläne ausgesprochen. Die Außenminister von sieben Ländern, darunter Deutschland, hatten am Sonntag mit "großer Besorgnis" auf die Pläne reagiert. UNRWA leiste lebensrettende humanitäre Hilfe und stelle grundlegende Dienstleistungen für palästinensische Flüchtlinge in der gesamten Region bereit, deren Einstellung "verheerende Folgen für die bereits kritische und sich rapide verschlechternde humanitäre Lage" mit sich brächte, hieß es.

Die Bundesregierung unterstützte das UN-Hilfswerk eigenen Angaben nach allein im Jahr 2023 mit mehr als 200 Millionen Euro.

Auch die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland hatte die Entscheidung der Knesset im Vorfeld scharf kritisiert. Das Gesetz verletze das Völkerrecht und sei eine Provokation für die gesamte internationale Gemeinschaft. Es könne keine Lösung des Konflikts ohne eine gerechte Lösung der Flüchtlingsfrage im Einklang mit dem Völkerrecht geben, bekräftigte die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in einer Erklärung, die von der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa verbreitet wurde.

Julio Segador, ARD Tel Aviv, tagesschau, 28.10.2024 21:43 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 28. Oktober 2024 um 21:45 Uhr.