Afghanische Pässe zur Begutachtung in der deutschen Botschaft in Islamabad

Anerkennung von Pässen und Visa Taliban entmachten afghanische Vertretungen

Stand: 30.07.2024 17:47 Uhr

Die Taliban wollen künftig kaum noch Pässe oder Visa akzeptieren, die von afghanischen Vertretungen in westlichen Ländern ausgestellt wurden. Das könnte für die deutschen Behörden zum Problem werden.

Von Bamdad Esmaili und Isabel Schayani, WDR

Vor der Kamera sitzt mit ernstem Gesichtsausdruck ein Sprecher der Taliban und trägt vor: Sämtliche Dokumente, die afghanische Botschaften und Vertretungen in den folgenden westlichen Ländern ausgestellt hätte, besäßen keine Gültigkeit mehr.  Er nennt teils Städte, teils Länder: "London, Belgien, Berlin, Bonn, Schweiz, Österreich, Frankreich, Italien, Griechenland, Polen, Schweden, Norwegen, Kanada und Australien". Visa, Reisepässe, Verlängerungen, Personalausweise, Urkunden würden nicht mehr anerkannt.

Als Grund gibt er an, diese Vertretungen hätten "ohne Koordination, willkürlich und die geltenden Prinzipien verletzend" gehandelt. Welche Art Machtkampf spielt sich hier zwischen Kabul und etlichen afghanischen Botschaften ab? Haben die Taliban die Kontrolle über ihre Botschafter und Konsule verloren? 

Die Regierung in Kabul kämpft um internationale Anerkennung. Doch selbst die eigenen Botschaften verweigern dies. Denn dort arbeitet oft Personal, welches noch vor dem Machtwechsel entsandt wurde und die radikalen Islamisten ablehnt. Sie leisten auf ihre Art Widerstand. Dies wird bei mehreren Besuchen beim Konsulat in Bonn deutlich. 

Mehr Privatunternehmen denn Konsulat

Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 ist im afghanischen Konsulat Bonn alles anders. Bis zu dem Zeitpunkt, hatte man weisungsgebunden gearbeitet. So wie es üblich ist. Doch seit in der Heimat die Taliban herrschen, funktioniert dieser Außenposten wie eine kleine private Firma. Das berichtet ein Diplomat tagesschau.de.

Pro Tag kommen etwa 200 bis 300 Kunden ins Konsulat. Sie benötigen hauptsächlich Identitätsfeststellungen, Passverlängerungen oder Geburtsurkunden für deutsche Ämter. Auf den Dokumenten steht aber nicht "Islamisches Emirat", sondern es die alten Papiere.

Die deutschen Ausländerbehörden haben das bislang akzeptiert, erklärt der Diplomat. Pässe, die abgelaufen sind, werden für weitere fünf Jahre einfach verlängert, mit Aufklebern, denn man kann ja keine neuen Pässe drucken. Einige wenige Blankopässe habe man für Notfälle in der Schublade. Wer keinen Pass hat, dem stellt das Konsulat kurzerhand eine Bescheinigung aus.

Vertretungen finanzieren sich selbst

Diese Dienste kosten: eine Identitätsfeststellung bis zu 70 Euro, eine Passverlängerung für fünf Jahre 100 Euro. Das Konsulat in Bonn mit seinen 20 Diplomaten und Ortskräften finanziert sich durch diese Dienstleistungen. Das bedeutet man erwirtschaftet quasi die eigenen Gehälter.

Der Diplomat erklärt das Geschäftsmodell genauer: 75 Prozent der Kosten könnten so bezahlt werden. Die fehlenden 25 Prozent würden man durch Gehaltskürzungen ausgeglichen. Haupteinnahmequelle sei früher die Passerstellung gewesen. Mit anderen Worten: Das Konsulat in Bonn, und nicht nur hier, hat sich gänzlich von seinen Dienstherren in Afghanistan gelöst. 

Bonner Konsulat reagiert gelassen

Auf die Nachricht aus Kabul reagiert man im Bonner Konsulat indes betont gelassen. Ein hoher Diplomat erklärt, dass die Taliban seit drei Jahren versuchten sie, ihre Anerkennung mit Druck durchzusetzen. Früher habe es ähnliche Erlasse zum Beispiel für Vollmachten gegeben.

Hier in Bonn seien die Diplomaten fest entschlossen, ihre Arbeit ganz normal weiterzuführen. Schließlich bräuchten die meisten Afghanen hier in der Schalterhalle ihre Papiere ohnehin für die deutschen Behörden und nicht für Afghanistan. Der Vollständigkeit halber habe man heute den Menschen erklärt, dass die Taliban die neuen Papiere nicht mehr anerkennen würden. 

Zweifel an Zahl der Afghanen in Deutschland

Deutschland gehört mittlerweile nach Pakistan und Iran zu den größten Aufnahmeländern von Afghaninnen und Afghanen. Laut dem Statistischen Bundesamt lebten Ende 2023 knapp 420.000 Menschen aus Afghanistan in Deutschland. Das Konsulat in Bonn gibt deutlich mehr an, nämlich bis zu 800.000.

Viele von ihnen brauchen afghanische Papiere, um sich bei den deutschen Ämtern ausweisen zu können. Doch das könnte jetzt schwierig werden. Im Auswärtigen Amt prüft man derzeit die möglichen Auswirkungen dieser Ankündigung, lässt ein Sprecher wissen.

Könnte zum Problem für deutsche Behörden werden

Deutschland erkennt die Taliban-Regierung nicht an, ihre Pässe und Dokumente indes schon. Sollte Deutschland die Dokumente des Bonner Konsulats und der Berliner Botschaft nicht anerkennen, würde dies ein Problem für die Ausländerbehörden werden. Sie müssten Passersatzpapiere ausstellen - in zehntausenden Fällen.

Der Machtkampf zwischen der radikal-islamistischen Regierung im Land und deren Vertretungen im Ausland scheint nicht beendet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. Juli 2024 um 12:00 Uhr in den Nachrichten.