Kanzler-Reise nach Tokio Scholz sucht Schulterschluss mit Japan
Der Bundestag debattiert über Waffenlieferungen an die Ukraine - und der Kanzler ist in Japan. Ein Besuch zur falschen Zeit? Scholz verkündet in Tokio große Pläne.
Die Ehrengarde der japanischen Selbstverteidigungskräfte steht bereit in ihren blau-weißen Paradeuniformen. Das Orchester legt los. Die deutsche Nationalhymne schallt laut durch die Kantei - den Amtssitz des japanischen Premierministers. Dabei sind Fumio Kishida und sein Gast, Bundeskanzler Olaf Scholz, sonst eher zwei Regierungschefs der leisen Töne. Kishidas zurückhaltende Art erinnert ein wenig an das hanseatisch-nüchterne Auftreten des Kanzlers. Genau diese Zurückhaltung bringt dem SPD-Kanzler zu Hause momentan viel Kritik ein.
CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte im Bundestag, Scholz zeige beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine "Unsicherheit und Schwäche". Die Reise nach Japan sei "unpassend". AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla ätzt, der Bundestag streite über Krieg und Frieden - und "Herr Scholz reist zur Kirschblüte nach Japan". Davon abgesehen, dass die Kirschen in Japan schon seit etwa einem Monat verblüht sind: Scholz hält seine Reise für richtig und wichtig. Auch wenn sie bedeutet: Etwa 28 Stunden im Flieger zu sitzen, um 20 Stunden vor Ort zu sein.
Zeichen an Russland und China
Deutschland führt momentan die Gruppe der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen (G7). Ein Besuch der Mitglieder ist in der Zeit der Präsidentschaft üblich. Aber auch jenseits der Formalien will der Bundeskanzler mit dieser Reise ein Zeichen setzen. Es ist seine dritte Auslandsreise außerhalb Europas und die erste nach Asien. Und die führt nicht, wie bei seinen Vorgängern Angela Merkel und Gerhard Schröder, zuerst nach China - sondern nach Japan. Beide Regierungen vereinbaren, im nächsten Jahr Regierungskonsultationen aufzunehmen. Die gibt es in Asien bisher nur mit China und Indien.
Beide Länder, Deutschland und Japan, eint industrielle Kompetenz, meint Scholz. Es ist eine Zeit, in der er auf der Suche ist nach einer neuen globalen Weltordnung. In der alte Gewissheiten seit dem Krieg in der Ukraine zur Vergangenheit gehören und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland wichtiger ist denn je. Scholz formuliert es in Tokio so: "Die wirtschaftsstarken Demokratien der Welt stehen zusammen." Russland gehört für Scholz nicht dazu.
Scholz ist dorthin gereist, um Japan für die Solidarität und Unterstützung in der Ukraine-Politik zu danken. Um zu zeigen, dass nicht nur die EU-Ländern und die USA zusammenstehen, um Russland wirtschaftlich weiter zu isolieren. "Putin hat mit dieser Geschlossenheit nicht gerechnet", sagt Scholz vor deutschen und japanischen Managerinnen und Managern.
Unterstützung für Russland-Sanktionen
Bei den Sanktionen gegen Russland war Japan schnell mit dabei und gab auch seine lang gehegten Versuche der Diplomatie mit Moskau auf. Japan ist keine Rüstungsnation, wurde durch den Krieg in der Ukraine aber ebenso wie Deutschland zur Kehrtwende gezwungen. Japans Verfassung verbietet zwar Waffenlieferungen, aber die Regierung schickte Schutzausrüstung und Aufklärungsdrohnen in die Ukraine.
Auch bei Öl- und Gaslieferungen aus Russland ticken Japan und Deutschland ähnlich: Japan importiert zwar deutlich weniger russisches Öl und Gas. Aber ein Lieferstopp ist momentan auch kein Thema. Eine stabile Versorgung gehe vor, so Kishida. Ziel sei es aber, komplett unabhängig zu werden. Er klingt dabei wie Scholz.
Die Beziehungen zwischen Japan und Russland sind seit Jahrzehnten angespannt. Der Grund ist der Streit um die Kurilen, eine im Norden an Japan grenzende Inselkette im Pazifik. Scholz sagte in Tokio zu, das deutsche Engagement im Indopazifik intensivieren zu wollen.
Globalisierung neu denken
Scholz malt auf der Reise aber noch ein größeres Bild. Das Bild einer neuen globalen Weltordnung. Darum ist er auch mit einer Wirtschaftsdelegation angereist. Neue Geschäfte sollen vereinbart werden, die Allianz der G7-Staaten intensiviert werden. Es gehe um eine neue Art der Globalisierung, eine kluge, eine solidarische, eine nachhaltige, betont Scholz vor den Wirtschaftsvertretern.
Die Liste der Industrievorhaben ist lang - von mehr Digitalisierung bis hin zu einer Kohlendioxid-freien Industrie. Dafür brauchen beide Länder Wasserstoff für Unternehmen. Zu lange hat Deutschland verschlafen, sich um Wasserstoff zu kümmern, nun muss unter Hochdruck mit vielen Ländern gesprochen werden, die liefern können.
Der Bundeskanzler plant, eine Wasserstofffabrik in der Nähe Tokios zu besuchen. Dort wird in Brunei produzierter Wasserstoff weiterverarbeitet - für Scholz ist es ein Vorbild beim Aufbau globaler Lieferketten. Gar nicht so leise Töne vom Kanzler fernab der Heimat.