Scholz in Japan Besuch eines Unbekannten
Für einen Tag reist Kanzler Scholz nach Japan. Den meisten Menschen im Land ist Scholz unbekannt - dabei ist Deutschland seit langem ein wichtiger Partnerstaat. Und die Zusammenarbeit könnte noch enger werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz kennt Japan. Aber Japan kennt Olaf Scholz nicht. Der Kurztrip nach Tokio ist bereits die dritte Reise des SPD-Politikers in das Land der aufgehenden Sonne. Er war als Erster Bürgermeister von Hamburg schon hier und zuletzt 2019 als Finanzminister. An die Prominenz seiner Vorgängerin kommt er nicht ansatzweise heran: "Ich liebe Frau Merkel sehr und habe ihre Bücher gelesen. Der derzeitige Bundeskanzler interessiert mich überhaupt nicht", sagt die 72-jährige Keiko achselzuckend. Kei, 44 Jahre alt, fragt: "Wer war das nochmal…? Der Mann mit den etwas wenig Haaren auf dem Kopf, nicht wahr...?"
Was den Gastgebern schmeichelt: Scholz verbindet den Besuch nicht etwa mit einer Stippvisite in Peking, wie es Merkel oft getan hat, sondern reist direkt und ausschließlich zum G7-Partner Japan. Nicht gerade gut fürs Klima, aber für die bilateralen Beziehungen allemal.
Handelspartner - im Dreieck mit China
Das hebt auch Norihide Miyoshi hervor. Er hat viele Jahre als Deutschland-Korrespondent für die größte japanische Tageszeitung "Yomi uri Shimbun" gearbeitet und sagt: "Deutschland ist für Japan ein sehr wichtiger Partner in der Welt. Beide Staaten haben die Völkerfreiheit und Demokratie gemeinsam. Und als Handelspartner und moderner Technologiepartner ist Deutschland für Japan auch sehr wichtig."
Umgekehrt gilt das genauso, bestätigt der Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan, Marcus Schürmann: "Wir sehen ja in den globalen Entwicklungen, wo es überall knarzt und wo überall die Probleme bestehen - und da ist Japan in Asien für Deutschland ein ganz zentraler, stabiler Partner, wo es darum geht, Anknüpfungspunkte zu finden und die Zusammenarbeit noch weiter zu vertiefen."
Deswegen begleitet den Kanzler auch eine Wirtschaftsdelegation nach Tokio. Aber natürlich steht all das im Schatten des Ukraine-Krieges. Japan hat sich sehr schnell den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen und beobachtet die Entwicklungen vor allem wegen der Rolle Chinas ganz genau. Man müsse dabei im Auge behalten, dass Japan in China um das Dreifache stärker investiert sei als Deutschland, also enger wirtschaftlich verbunden und damit noch mehr auf dem Spiel stehe, erklärt Schürmann.
Bald regelmäßige Konsultationen?
Es ist davon auszugehen, dass Japan und Deutschland bei Scholz' Besuch regelmäßige Regierungskonsultationen vereinbaren. Das hat es so zwischen den beiden Ländern noch nicht gegeben. Es erscheine angesichts der Weltlage aber sinnvoll, findet Korrespondent Miyoshi: "Um mit Russland und China umzugehen, ist die Koordinierung und Zusammenarbeit mit Deutschland sehr wichtig. Japan möchte bei dem Besuch wissen, wie weit Japan mit Deutschland kooperieren kann."
Das wird Japans Premier Fumio Kishida im Vier-Augen-Gespräch mit Scholz herausfinden wollen. Vielleicht ist seinen Landsleuten der Name des Bundeskanzlers danach etwas geläufiger als vor dem Besuch.