Getötete Helfer im Gazastreifen Israelische Armee gesteht "schweren Fehler" ein
Israels Militär hat den Tod von sieben internationalen Helfern im Gazastreifen durch einen Luftangriff "einen schweren Fehler" genannt. Weltweit wächst die Empörung, während mehr und mehr Hilfsorganisationen ihre Arbeit in dem Gebiet vorerst einstellen.
Die israelische Armee hat die Tötung von sieben Hilfskräften der US-Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) bei einem Luftangriff im Gazastreifen als "schweren Fehler" bezeichnet.
"Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung in der Nacht folgte, während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen", sagte Israels Generalstabschef Herzi Halevi in einer im Onlinedienst X veröffentlichten Videobotschaft. "Das hätte nicht passieren dürfen." Ein unabhängiges Gremium werde eine gründliche Untersuchung durchführen, die in den kommenden Tagen abgeschlossen werden solle.
Bei dem Angriff auf einen Konvoi von WCK waren am Montag nach Angaben der Organisation sieben Helfer getötet worden. Unter den Opfern befanden sich Menschen aus Australien, Polen und Großbritannien, ein Palästinenser sowie ein Helfer mit US-kanadischer Staatsangehörigkeit. Der Vorfall ereignete sich demnach, als der Konvoi aus drei Fahrzeugen ein Warenlager in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens verließ.
Herzog entschuldigt sich bei Gründer von Hilfsorganisation
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach von einem tragischen Zwischenfall, bei dem das israelische Militär unbeabsichtigt unschuldige Menschen im Gazastreifen getroffen habe.
Zuvor hatte sich bereits Israels Präsident Izchak Herzog in einem Telefonat beim Gründer von WCK, José Andrés, entschuldigt. "Der Präsident bekräftigte Israels Verpflichtung, humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Gaza zu liefern und aufzustocken", schrieb Herzog auf der Plattform X. Er bedankte sich demnach auch bei Andrés für das Engagement seiner Hilfsorganisation für Israelis und Palästinenser.
Die Hilfsorganisation wurde von dem aus Spanien stammenden Starkoch 2010 nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti gegründet. Seitdem versorgt die Organisation Menschen in Katastrophengebieten auf der ganzen Welt mit Mahlzeiten. Nach Angaben der israelischen Armee half WCK auch als eine der ersten Nichtregierungsorganisationen in Israel nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres.
Menschen inspizieren den Ort, an dem die Mitarbeiter von World Central Kitchen getötet wurden. Der Luftangriff traf ein Auto der Organisation.
UN: "Unvermeidliches Resultat" der Kriegsführung
Die Vereinten Nationen erhoben schwere Vorwürfe gegen Israel. Der Vorfall sei "ein unvermeidliches Resultat dessen, wie dieser Krieg aktuell geführt wird", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric. Er verwies dabei auf UN-Zahlen, wonach in Gaza bislang mehr als 180 humanitäre Helfer getötet worden seien.
Der Tod der Mitarbeiter von WCK zeige "eine Missachtung des humanitären Völkerrechts und eine Missachtung des Schutzes von humanitären Arbeitern" auf, den das Gesetz eigentlich vorschreibe, erklärte Dujarric. Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für Notleidende im Gazastreifen, Sigrid Kaag, habe sich erst am Montag mit dem Team von WCK in Rafah im Süden des Gazastreifens getroffen - nur Stunden, ehe die Helfer umgekommen seien. Kaag sei empört über den Angriff, erklärte Dujarric.
Scharfe Kritik von Biden
Mehrere Länder, darunter Deutschland, zeigten sich schockiert und forderten rasche Aufklärung. US-Präsident Joe Biden kritisierte Israel ebenfalls scharf und warf dem Land vor, nicht genug zum Schutz solcher Helfer getan zu haben. "Vorfälle wie der gestrige sollten einfach nicht passieren", so Biden. "Israel hat auch nicht genug getan, um Zivilisten zu schützen."
Das Weiße Haus erwarte, dass Israel nach der vorläufigen Prüfung des Vorfalls zügig eine tiefergehende Untersuchung durchführe. "Wir hoffen, dass die Ergebnisse öffentlich gemacht werden und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Die US-Regierung habe diese Haltung auch gegenüber Israel "sehr klar" gemacht.
Weitere Hilfsgruppen setzen Einsatz in Gaza aus
Derweil haben weitere Hilfsorganisationen ihre Aktivitäten im Gazastreifen ausgesetzt. Die Gruppe Anera kündigte den "beispiellosen Schritt" an, ihren humanitären Einsatz zu pausieren. Anera ist eine Partnerorganisation von WCK.
Auch Project Hope, eine in den USA gegründete Gruppe mit Fokus auf medizinischer Hilfe, erklärte, dass es seine Arbeit im Gazastreifen aussetze. Das International Medical Corps, das in Rafah eine der größten Feldlazarette mit 140 Betten betreibt, kündigte zudem an, "unser Prozedere zu überdenken". Auf den Prüfstand sollen demnach unter anderem Pläne kommen, ein weiteres Feldkrankenhaus in Deir al-Balah zu errichten.
Der Tod der Helfer von WCK stellt Medienberichten zufolge grundsätzlich die weitere Versorgung der Menschen in dem Kriegsgebiet infrage. "Jeder fühlt sich jetzt bedroht", zitierte die New York Times Michael Capponi, Gründer der Hilfsorganisation Global Empowerment Mission. Es müsse der internationalen Gemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen "garantiert werden, dass wir bei unserer Arbeit, die so wichtig ist, sicher sind".
Nach dem Angriff wurde vorläufig auch die Anlieferung von Hilfsgütern per Schiff gestoppt. Die in den Gazastreifen geschickten Hilfsschiffe kehrten zurück nach Zypern. An Bord seien noch etwa 240 Tonnen Hilfsgüter, die nicht verteilt worden seien, erklärte das zyprische Außenministerium.