Baerbock reist nach Nahost Mit Hoffnung im Gepäck
Die Verhandlungen in Katar kommen kaum voran, der Krieg im Gazastreifen geht weiter. Außenministerin Baerbock reist nun erneut in die Region - und fordert ein sofortiges Ende der Kämpfe. Israel wies das zurück.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat von Israel und der islamistischen Hamas eine sofortige humanitäre Feuerpause verlangt. Nur eine solche Feuerpause, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand führe, halte die Hoffnung auf Frieden am Leben, sagte die Grünen-Politikerin vor neuerlichen Krisengesprächen in Ägypten, Israel und den palästinensischen Gebieten. Es ist Baerbocks sechster Besuch in Israel seit dem blutigen Terrorüberfall der Hamas auf das Land am 7. Oktober.
Das Sterben der Menschen im Gazastreifen und das Leid der mehr als 100 noch immer von der Hamas gefangen gehaltenen Geiseln seien miteinander verwoben, sagte Baerbock. "Das Leid muss für alle enden." Die Verhandlungen in Katar müssten nun endlich zum Erfolg führen. Zugleich forderte die Außenministerin die israelische Regierung erneut auf, "endlich die Grenzübergänge für viel mehr Hilfe" zu öffnen. Luftabwürfe oder Seebrücken für Hilfsgüter seien keine nachhaltige Lösung.
Baerbock betonte zugleich: "Wir stehen zu unserer Verantwortung für Israels Sicherheit." Die Hamas müsse die Waffen niederlegen und dürfe nie mehr wieder den Terror des 7. Oktober über die Menschen in Israel bringen. "Aber rein militärisch lässt sich dieses Ziel nicht erreichen. Und das militärische Vorgehen hat seine Grenzen im humanitären Völkerrecht."
Israel weist Baerbocks Forderung zurück
Israels Außenminister Israel Katz reagierte ablehnend auf Baerbocks Forderung nach einer Feuerpause. "Wir erwarten von unseren Freunden, dass sie Israel in diesen herausfordernden Zeiten weiterhin unterstützen und es nicht gegenüber der Terrororganisation Hamas schwächen", schrieb er auf X, vormals Twitter. Eine humanitäre Feuerpause könne nicht ohne Freilassung der israelischen Geiseln verkündet werden. In Hinblick auf die humanitäre Hilfe für Gaza "müssen wir gemeinsam (daran) arbeiten", fügte er hinzu.
Bislang kein Durchbruch bei Verhandlungen in Katar
Seit Wochen wird in Katar über ein neues Abkommen für eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas sowie zur Geiselfreilassung verhandelt. Die internationalen Bemühungen hatten sich zuletzt nochmals intensiviert. Sie laufen unter der Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA, haben aber noch keinen Durchbruch gebracht.
Nach einer weiteren Gesprächsrunde verließen US-Geheimdienstchef William Burns und sein israelischer Kollege David Barnea die katarische Hauptstadt Doha offenbar am späten Samstagabend. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Verhandlungskreisen erfuhr, reisten die beiden Geheimdienstchefs von CIA und Mossad aus Doha ab, um ihre jeweiligen Teams zu Hause über die jüngste Gesprächsrunde zu informieren. Zuletzt lag offenbar ein Vorschlag für eine sechswöchige Feuerpause und zu einem Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge auf dem Tisch.
Israel startet neuen Militäreinsatz in Chan Junis
Ungeachtet der internationalen Bemühungen um eine Waffenruhe teilte die israelische Armee mit, einen neuen Militäreinsatz in Chan Junis im Süden des Gazastreifens begonnen zu haben. Ziel der Operation im Westen der Stadt sei es, "weiter Terror-Infrastruktur zu zerstören und Terroristen in dem Gebiet auszuschalten", hieß es in einer Mitteilung des Militärs. Der Einsatz habe mit "einer Serie von Luftangriffen auf rund 40 Terrorziele begonnen".
Der palästinensische Rettungsdienst Roter Halbmond berichtete, israelische Truppen hätten zwei Krankenhäuser in Chan Junis umlagert. Es gebe heftigen Beschuss. Im Al-Amal-Krankenhaus sei ein Sanitäter durch Schüsse tödlich verletzt worden, ein weiterer habe eine Schussverletzung am Kopf erlitten. Bei einem Einsatz im Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza im Norden des Küstengebiets wurde ein israelischer Soldat getötet, wie die Armee mitteilte.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Auswärtiges Amt kritisiert weiteren Siedlungsbau
Im Westjordanland erklärte Israels Zivilverwaltung laut israelischen Medienberichten 800 Hektar zu Staatsland. Dies entspricht etwa einer Fläche von mehr als 1.100 Fußballfeldern. Auf dem Gebiet sollen unter anderem Hunderte Siedlerwohnungen entstehen. Die israelischen Siedlungen im Westjordanland sind nach internationalem Recht illegal.
Das Auswärtige Amt kritisierte Israels Vorhaben deutlich. "Wir verurteilen die Ankündigung auf das Schärfste, über 800 Hektar Land in den Palästinensischen Gebieten als israelisches ,Staatsland´ zu konfiszieren. Das wäre die größte Aneignung seit über 30 Jahren", teilte das Außenministerium in Berlin auf X mit. Der Siedlungsbau verletze internationales Recht und "trägt in der äußerst fragilen Lage zu weiteren Spannungen bei".
Israels Verteidigungsminister reist nach Washington
Wegen des israelischen Vorgehens im Nahost-Krieg hatten zuletzt auch die Spannungen zwischen Israels Regierung und ihrem wichtigsten Partner, der US-Regierung, zugenommen. Nun kündigte Israel an, Verteidigungsminister Joav Gallant werde im Laufe des Sonntags nach Washington reisen. Dort werde Gallant unter anderem mit seinem Amtskollegen Lloyd Austin und US-Außenminister Antony Blinken sprechen. In den Gesprächen solle es um "die Entwicklung des Krieges gegen die Terrororganisation Hamas" gehen.
US-Präsident Joe Biden hatte in den vergangenen Tagen mit immer größerem Nachdruck vor einer von Israel geplanten Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens gewarnt, wo mittlerweile rund 1,5 Millionen der insgesamt 2,4 Millionen Bewohner des Palästinensergebietes Schutz suchen. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sagte am Freitag nach Beratungen mit US-Außenminister Blinken, er halte auch ohne die Unterstützung Washingtons an der geplanten Rafah-Offensive fest.