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Baerbock zu Tod von Hisbollah-Chef "Die Lage ist brandgefährlich"

Stand: 28.09.2024 19:34 Uhr

Die Bemühungen um eine Deeskalation im Nahen Osten würden auch nach dem Tod von Hisbollah-Chef Nasrallah fortgesetzt, sagte Außenministerin Baerbock dem ARD-Hauptstadtstudio. Die Lage sei "brandgefährlich". Eine Feuerpause sei der einzige Weg.

Nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah durch die israelische Armee hat sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besorgt gezeigt was die Sicherheitslage im Nahen Osten, aber auch konkret die Sicherheit Israels angeht. "Die Lage ist brandgefährlich", sagte die Grünen-Politikern dem ARD-Hauptstadtstudio.

Es bestehe die Gefahr, dass die gesamte Region weiter in eine "absolute Gewaltspirale" rutsche. Deswegen habe man bei der UN-Vollversammlung in New York zusammen mit den USA, Frankreich und mehreren arabischen Staaten zu einer 21-tägigen Waffenpause aufgerufen, damit es keine weitere Eskalation gebe. Das Gegenteil sei jetzt passiert. "Es droht die Destabilisierung des gesamten Libanon, und das ist in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels."

Grundsäztlich gelte auch hier das Selbstverteidigungsrecht Israels, sagte Baerbock, und das bedeute, dass terroristische Angriffsziele zerstört werden dürften. Aber Militärlogik sei nicht immer gleichbedeutend mit Sicherheitslogik, betonte sie weiter.

Weiter den diplomatischen Weg gehen

Seit Monaten führten sie und ihre Amtskollegen aus anderen Ländern Gespräche. Sie habe auch den iranischen Außenminister in New York getroffen - allerdings vor der jüngsten Militäraktion Israels. "Ich bin nonstop genau da weiter unterwegs", sagte die Ministerin, zusammen mit den Golfstaaten, der Türkei und mit China. Alle versuchten, weiter zu deeskalieren, sagte Baerbock.

Lange habe man dafür gearbeitet, dass es nicht zu einem Flächenbrand komme, nun stehe man an einer sehr kritischen Stelle. Baerbock plädierte dafür, weiter den diplomatischen Weg zu gehen. Das helfe nicht nur im Sicherheitsinteresse Israels, sondern auch im Interesse der Menschen in der Region. Dazu brauche es eine Feuerpause, und daran werde man mit Hochdruck arbeiten, so Baerbock.

USA sichern Israel Unterstützung zu

US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Tötung des Hisbollah-Führers als "Maßnahme der Gerechtigkeit" für dessen Opfer. Israel habe das Recht, sich gegen vom Iran unterstützte Gruppen zu verteidigen. Er habe Verteidigungsminister Lloyd Austin angewiesen, die Aufstellung der US-Streitkräfte im Nahen Osten weiter zu verbessern, um Aggressionen abzuschrecken und das Risiko eines größeren Krieges zu verringern. Die USA strebten eine Deeskalation der Konflikte im Gazastreifen und im Libanon mit diplomatischen Mitteln an.

US-Verteidigungsminister Austin hatte Israel zuvor die volle Unterstützung der USA im Kampf gegen vom Iran unterstützte Terrorgruppen zugesagt, wie das Pentagon mitteilte. Er habe in mehreren Telefonaten auch deutlich gemacht, dass die USA entschlossen seien, den Iran und mit ihm verbundene Gruppen daran zu hindern, "die Situation auszunutzen oder den Konflikt auszuweiten".

China fordert Waffenruhe und Zweistaatenlösung

Chinas Außenminister Wang Yi verurteilte die Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah in seiner Rede bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen indirekt. "Im Libanon haben die Kämpfe wieder begonnen, aber Macht kann Gerechtigkeit nicht ersetzen", sagte Wang in New York. Israel nannte er dabei nicht explizit.

Wang sagte weiter, der lange gehegte palästinensische Wunsch nach einem eigenen Staat und "das historische Unrecht, das das palästinensische Volk erlitten hat", dürfe nicht ignoriert werden. Es brauche eine Waffenruhe in Gaza und Arbeit an einer Zweisttaatenlösung.

Russland und Türkei verurteilen Israels Angriff

Russland verurteilte die Tötung des Hisbollah-Chefs. Das russische Außenministerium rief Israel dazu auf, seine Angriffe auf den Libanon einzustellen. Israel habe diese Gefahr zwar gesehen, aber dennoch diesen Angriff unternommen, "der fast zwangsläufig einen neuen Ausbruch von Gewalt provozieren wird". Damit trage Israel die volle Verantwortung für jede nachfolgende Eskalation. "Dies würde das Blutvergießen beenden und die Voraussetzungen für eine politische und diplomatische Lösung schaffen", hieß es in der Erklärung weiter.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan übte Kritik an Israel. Die Angriffe seien Teil einer Politik "des Völkermords, der Besatzung und der Invasion", schrieb Erdogan auf dem Kurznachrichtendienst X. Der UN-Sicherheitsrat und andere Gremien müssten Israel Einhalt gebieten. In der Erklärung wird Nasrallah nicht beim Namen genannt. Die Türkei stehe an der Seite des libanesischen Volkes, heißt es in der Mitteilung.

Iran macht USA mitverantwortlich

Der iranische Präsident Masoud Peseschkian beschuldigte die USA, an der Tötung Nasrallahs beteiligt gewesen zu sein. "Die Weltgemeinschaft wird nicht vergessen, dass der Befehl für den Terroranschlag aus New York kam", sagte Peseschkian im iranischen Staatsfernsehen. Die Amerikaner könnten sich von ihrer "Komplizenschaft mit den Zionisten" nicht freisprechen, wird der Präsident weiter zitiert.

Der Vizepräsident des Iran, Mohammad Resa Aref, erklärte laut der Nachrichtenagentur Isna, das "ungerechte Blutvergießen" werde Israels "Zerstörung" herbeiführen. Sein Land werde dem "islamischen Widerstand" treu bleiben. 

UN-Generalsekretär fordert Ende der Gewalt

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Gutteres, ließ durch seinen Sprecher mitteilen, dass "dieser Kreislauf der Gewalt jetzt beendet werden" müsse. "Das libanesische Volk, das israelische Volk und die gesamte Region können sich einen totalen Krieg nicht leisten."

Guterres forderte die kämpfenden Parteien auf, die Resolution des UN-Sicherheitsrates von 2006, die den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon beendete, wieder vollständig umzusetzen und unverzüglich zu einer Einstellung der Feindseligkeiten zurückzukehren".

Bundesregierung hebt Krisenstufe für Auslandsvertretungen an

Der Krisenstab der Bundesregierung hat angesichts der Eskalation im Nahen Osten entschieden, die Krisenstufe für die Auslandsvertretungen in Beirut, Ramallah und Tel Aviv weiter anzuheben. Das teilte das Auswärtige Amt mit.

Das bedeute konkret, dass Familienangehörige der entsandten Beschäftigten in den Vertretungen den Dienstort verlassen und an einen sicheren Ort in der Region oder nach Deutschland reisen sollten. Zudem werde das entsandte Personal ausgedünnt. Dabei werde dafür Sorge getragen, "dass die umfassende Arbeitsfähigkeit der drei Auslandsvertretungen weiterhin sichergestellt ist". 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 27. September 2024 um 08:00 Uhr.