Gesundheitssystem im Libanon Kliniken wappnen sich für einen drohenden Krieg
Die Sorge, dass der Krieg im Nahen Osten sich auch auf den Libanon ausbreitet, schwelt weiter. Die Kliniken im Land versuchen, sich auf diesen Fall vorzubereiten. Doch schon jetzt wird klar: Es fehlt an vielem.
Anfang August steht der libanesische Gesundheitsminister Firass Abiad auf dem Flughafen der Hauptstadt Beirut, hinter ihm werden medizinische Hilfslieferungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgeladen. "Wir wollen die Bereitschaft der Krankenhäuser und des gesamten Gesundheitswesens im Libanon erhöhen. Dazu werden alle nötigen Hilfsmittel und Ausrüstungen zur Verfügung gestellt", sagt Abiad.
Ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft geht das nicht, denn das öffentliche Gesundheitswesen im Libanon leidet unter den Folgen der schweren wirtschaftlichen und politischen Krise des Landes.
Schulungen für Katastrophenszenarien
Das Rafik Hariri University Hospital in Beirut ist das größte staatliche Krankenhaus des Landes. Auch hier gehen Ärzte und Pfleger seit Wochen Notfallpläne durch. Zur Vorbereitung auf den Ernstfall absolvieren sie Schulungen. Oberpfleger Mohammad Shaedo erläutert eine neue Strategie, die den störungsfreien Ablauf in der Notaufnahme im Katastrophenfall sichern soll. Das Personal hat gerade gelernt, eine plötzlich auftretende große Zahl von Patientinnen und Patienten effektiv zu untersuchen und nach Schwere der Verletzung zu priorisieren - etwa im Fall von Industrieunfällen, Massenerkrankungen und Großangriffen.
Landesweit ist im Libanon inzwischen das Personal von 118 Krankenhäusern unterwiesen worden. Die Schulungen wurden im Oktober vom "Public Health Emergency Centre" des libanesischen Gesundheitsministeriums entwickelt. Damals hatte die Hisbollah-Miliz im Südlibanon einen Grenzkrieg mit Israel begonnen.
Rote, gelbe und grüne Zonen
Zunächst wurde der Bedarf des Gesundheitswesens ermittelt, dann ein Aktionsplan entworfen, erläutert Waheeda Ghalayini, Leiterin des Zentrums. "Vor allem brauchen wir Vorräte", mahnt sie. "Wir haben eine Liste erstellt und Ausrüstungssets und Medikamente von der WHO und vom Roten Kreuz an Krankenhäuser im Süden verteilt. Rund 100 Tonnen gingen dorthin." Aber auch in die Bekaa-Ebene und die südlichen Vororte von Beirut, so Ghalayini weiter: "Das sind rote Zonen für uns, weil Israel sie beschießt. Sie sind umgeben von gelben Zonen. Im ruhigen Norden sind grüne Zonen."
Jihad Saade leitet das Rafik Hariri University Hospital. Das Personal sei vorbereitet auf den Einsatz chemischer Waffen, auch von weißem Phosphor, wie Israel ihn angeblich im Kampf gegen die Hisbollah einsetzt. Auch eine Dekontaminationsschleuse sei in der Klinik vorhanden. Und doch macht Saade sich Sorgen, dass die Vorkehrungen im Katastrophenfall nicht ausreichen:
Medizinische Vorräte, Nahrungsmittel, Wasser, Diesel, Sauerstoff - zehn Tage lang könnten wir damit 50 Patienten pro Tag versorgen. Aber kann man ahnen, was passiert? Kann man ahnen, wie viele Patienten zu uns kommen würden? Mit 50 könnten wir fertig werden, aber nicht mit 500.
Fehlendes Personal, fehlendes Budget
Das liegt nicht allein an den Unwägbarkeiten einer Katastrophe. Die einstige Vorzeigeklinik des libanesischen Staates leidet unter Personalmangel. Auch deshalb sind derzeit nur die Hälfte ihrer 430 Betten belegt. "Wir verlieren die besten Ärzte und Pfleger - ausgerechnet jetzt, wo der Gesundheitszustand der libanesischen Bevölkerung sich verschlechtert", warnt Saade.
Viele Beschäftigte wandern in den Privatsektor ab, der zahlt höhere Löhne, noch dazu in Dollar. Oder sie ziehen nach Europa, in die USA oder die Golfstaaten. Hinzu kommen Geldsorgen, sagt der Klinikleiter: "Der Staat begleicht unser Budget in libanesischen Lira, und nicht immer pünktlich. Aber Lieferanten und Dienstleister wollen Dollar. Und zwar sofort." Nicht mal Paracetamol gebe es auf Rechnung.
Nicht zuletzt sind die Zuwendungen von internationalen und Nicht-Regierungsorganisationen geschrumpft. Ein Effekt der Kriege im Gazastreifen, im Sudan, in der Ukraine. Waheeda Ghalayini, zuständig für den Notfallplan des libanesischen Gesundheitswesens, bleibt dennoch optimistisch: "Dies ist nicht der erste Krieg im Libanon. Seit 1974 stehen wir fast durchgehend im Krieg - vom Bürgerkrieg zu den verschiedenen israelischen Invasionen. Der Libanon steht nicht zum ersten Mal vor so einer Lage."