Nach Raketenbeschuss Israel greift Ziele im Libanon und Gaza an
Israel ist erstmals seit Jahren wieder unter heftigen Raketenbeschuss aus dem Libanon geraten. Die Armee antwortete in der Nacht und am frühen Morgen mit Gegenangriffen auf Ziele im Nachbarland und im Gazastreifen.
Als Antwort auf einen massiven Raketenbeschuss haben israelische Streitkräfte Ziele im Libanon und im Gazastreifen angegriffen. In der Nacht seien Stellungen der militanten Hamas im Süden Libanons getroffen worden, teilte das israelische Militär mit. Die Armee werde "der Terrororganisation Hamas nicht erlauben, vom Libanon aus zu operieren". Der libanesische Staat trage zudem die Verantwortung für jeglichen Beschuss, der von seinem Gebiet ausgehe.
Medienberichten zufolge gab es Explosionen südlich der Stadt Tyros. Sicherheitskreisen zufolge traf Israel bei seinen Angriffen ein Feld in der Nähe eines palästinensischen Flüchtlingslagers. Informationen über mögliche Opfer gibt es bislang nicht.
Das israelische Militär attackierte in der Nacht auch Ziele im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen. Dabei seien Waffenfabriken und Tunneleinrichtungen getroffen worden. Die Hamas im Gaza-Streifen reagierte mit erneutem Raketenbeschuss: Es seien in der Nacht 23 Geschosse auf Israel abgefeuert worden, acht Raketen seien vom Luftabwehrsystem Iron Dome zerstört worden, teilte die israelische Armee am Morgen mit. In Sderot, der Kleinstadt direkt neben dem Gaza-Streifen, durchschlug eine Rakete eine Apartmentwohnung. Ersten Berichten zufolge kamen bislang keine Menschen zu Schaden.
Libanons Ministerpräsident verurteilt Raketenbeschuss
Am Donnerstagnachmittag hatten nach israelischen Angaben mutmaßliche Extremisten 34 Raketen aus dem Libanon auf Israel abgefeuert - so viele wie seit 2006 nicht mehr. Israel beschuldigte palästinensische Aktivisten, hinter dem Beschuss während des jüdischen Pessachfests zu stecken, bei dem mindestens ein Mensch verletzt wurde. Israelische Sicherheitskreise kamen gestern zu der Einschätzung, dass die palästinensische Hamas diesen Angriff aus dem Süden des Libanon nur mit Zustimmung der pro-iranischen Hisbollah habe durchführen können. Die Hisbollah kontrolliert im Wesentlichen die Region von Beirut bis zur israelischen Grenze. Die Attacke weckte Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts.
Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati verurteilte den Raketenbeschuss aus dem Libanon Richtung Israel. "Der Libanon lehnt jede militärische Eskalation, die von seinem Land ausgeht, sowie die Nutzung libanesischen Territoriums zur Durchführung von Operationen, die die bestehende Stabilität gefährden kann, vehement ab", sagte Mikati in Beirut.
Netanyahu hatte Vergeltung angedroht
Die UN-Friedensmission Unifil forderte ein Ende der gefährlichen Aktionen. "Beide Seiten haben gesagt, dass sie keinen Krieg wollen", hieß es in einer Erklärung der Organisation am Morgen. Man sei mit beiden Ländern im Gespräch. Die UN-Mission forderte alle Beteiligten auf, die Angriffe einzustellen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte am Abend eine "aggressive Reaktion" auf den anhaltenden Beschuss aus dem Gazastreifen und dem Libanon angekündigt. Trotz innenpolitischer Spaltung blieben die Israelis gegenüber äußeren Feinden geeint, erklärte der Regierungschef.
Nach seiner dreistündigen Sitzung mit seinem Sicherheitskabinett teilte sein Büro mit, dass eine Reihe von Entscheidungen getroffen worden seien. "Israels Reaktion wird, heute und darüber hinaus, unseren Feinden einen hohen Preis abverlangen", hieß es in einer knappen Mitteilung.
Zusammenstöße an Al-Aksa-Moschee der Auslöser
Die jüngste Eskalation folgte auf Gewalt an und in der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee. Gläubige hatten sich am Mittwochabend in dem drittwichtigsten Heiligtum des Islams über der Altstadt verbarrikadiert. Die israelische Polizei stürmte das Gebäude und schaffte die Gläubigen weg.
Schon am Dienstagabend war die Lage in der Moschee ebenfalls eskaliert: Gläubige warfen Steine und Feuerwerkskörper auf die Polizei, die daraufhin hart vorging und Hunderte festnahm. Nach palästinensischen Angaben wurden Gläubige blutig geschlagen, es gab demnach Dutzende Verletzte.
Am Freitagmorgen kam es nun erneut zu Zusammenstößen vor der Al-Aksa-Moschee zwischen der israelischen Polizei und muslimischen Gläubigen. Eine große Menge drängte auf den Platz vor der Moschee, in Sprechchören wurde die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas gefeiert. Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie israelische Polizisten große Gruppen von Männern unter Einsatz von Schlagstöcken zurückdrängten.
Brennpunkt Tempelberg
Die Al-Aksa-Moschee steht auf einer Anhöhe, die den Juden als Tempelberg ihr wichtigstes Heiligtum ist. Aktuell zieht es wegen des Ramadan besonders viele Muslime zu dem Gelände, das seit langem als ein Brennpunkt des Nahost-Konflikts gilt. Am Mittwoch begann zudem das jüdische Pessachfest. Außerdem sind wegen des bevorstehenden Osterfestes Tausende Christen in der Stadt.
Gewaltsame Konfrontationen am Tempelberg haben in der Vergangenheit zu Kriegen zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas geführt, zuletzt im Jahr 2021.
Auffällig ist, dass die israelische Luftwaffe bislang keine Ziele der Hisbollah im Libanon angegriffen hat. Die militärische Antwort Israels auf die jüngste Eskalation, die nach den Zusammenstößen auf dem Tempelberg in Jerusalem ausgelöst wurde, scheint bislang darauf abzuzielen, die Konfrontation mit der Hisbollah zu vermeiden. Ein israelischer Armeesprecher sagte am Morgen: Niemand habe ein Interesse an einer Eskalation.