Israel Siedlungspolitik spaltet Netanyahus Regierung
Israels Premier Netanjahu muss angesichts drastischer Äußerungen einiger seiner Minister immer öfter einschreiten. Dabei geht es um Israels Sicherheit und die Siedlungspolitik.
Eine Szene, die belegt, wie rau der Ton geworden ist: Eigentlich wollte Eliav Elbaz, Chef einer Brigade israelischer Streitkräfte, in der israelischen Siedlung Eli im nördlichen Westjordanland die Angehörigen eines Terroropfers besuchen. Dabei kam es zu einem Eklat, als extremistische Siedleraktivisten Elbaz als "Verräter", gar als "Mörder" bezeichneten. Premierminister Benjamin Netanyahu musste einschreiten. Er verurteilte den Vorfall und sprach von einer "Schande".
Soldaten seiner Einheit und Elbaz selbst hatten in der vergangenen Woche versucht, gewaltbereite Siedler aufzuhalten. Sie hatten in mehreren palästinensischen Dörfern im Westjordanland Racheakte verübt, nachdem vier Israelis bei einem palästinensischen Anschlag getötet worden waren. Autos und Häuser wurden in Brand gesteckt. Ein Mensch kam ums Leben. Dutzende Menschen wurden verletzt.
Ministerin zieht Vergleich zu Wagner-Kämpfern
In einer gemeinsamen Erklärung hatten die Chefs der israelischen Armee, des Inlandsgeheimdienstes und der Polizei, die Siedlergewalt als "Terror" bezeichnet. Das wiederum hatte Teile der israelischen Regierung gegen sie aufgebracht, insbesondere aus dem nationalreligiösen Lager.
Orit Strock, als Ministerin für die Siedlungen zuständig, wählte im Radiosender Kol Hai einen gewagten Vergleich. Allein die Tatsache, eine gemeinsame Erklärung herauszugeben, sei ein Fehler gewesen. "Ich meine, was soll das sein? Wer seid Ihr? Die Wagner-Söldner? Ihr arbeitet für die Regierung, ihr könnt nicht einfach nach eigenem Gutdünken Erklärungen herausgeben", kritisierte Strock.
Netanyahu gibt Sicherheitskräften Rückendeckung
Auch hier versuchte Netanyahu gegenzuhalten. Denn die Sicherheitskräfte haben in Israel gerade in Zeiten anwachsender Gewalt eine große Bedeutung. Und angesichts neuer Gewalt in den besetzen Gebieten, wurde die Breitseite der Ministerin für den Regierungschef zum Problem.
Netanyahu erklärte vor der Knesset, dem israelischen Parlament: "Die Sicherheitskräfte kämpfen Tag und Nacht und erstatten mir Bericht. Sie leisten diese Sicherheitsarbeit für uns alle - und ich akzeptiere keine Aussagen, die sie verurteilen, oder zu irgendwelchen rebellischen Truppen verwandeln."
Siedlungspolitik im Fokus
In diesen Tagen wird aber wieder deutlich, dass Teile der Regierung vor allem einer klaren Agenda folgen: Ausbau der Siedlungen. Tausende neue Wohneinheiten sind bereits beschlossen, ebenso die Legalisierung einer Reihe sogenannter Außenposten.
Itamar Ben Gvir, der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit, besuchte in der vergangenen Woche Evyatar, einen besonders umstrittenen Außenposten, und trieb seine Anhänger weiter an: "Ich danke Euch für Eure Hingabe, für Eure Liebe zum Land, für Euren Einsatz und für die Opfer, die Ihr dabei hinterlasst." Er sicherte den Siedlern volle Unterstützung zu: "Stürmt die Hügel, siedelt Euch an! Wir lieben Euch."
Netanyahu stellt sich gegen "illegale Landnahme"
Auch das konnte Netanyahu, angesichts der internationalen Kritik an der israelischen Siedlungspolitik, nicht so stehen lassen. Vor der Kabinettssitzung am Wochenende widersprach er öffentlich seinem Minister:
Illegale Landnahme und Aufrufe dazu sind für mich inakzeptabel. Sie untergraben Recht und Ordnung in Judäa und Samaria und müssen sofort aufhören. Wir werden das nicht nur nicht unterstützen, sondern auch entschlossen dagegen vorgehen. Das stärkt die Besiedlung nicht, im Gegenteil. Diese Aufrufe verletzten vitale Interessen der Staates Israel und müssen aufhören.
Einige seiner Minister scheinen das anders zu sehen. Außerdem widersprechen einige der jüngsten Beschlüsse der Regierung Netanyahus Aussage. Zudem sind die Kräfte des Regierungschefs in diesen Tagen ohnehin auch vor Gericht gebunden: In einem Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Bestechung hat in diesen Tagen ein Schlüsselzeuge ausgesagt.
Dabei wäre Netanyahu zur Zeit vor allem als Regierungschef gefragt - um weitere, politische Feuer auszutreten.