Nach langer Verzögerung Weitere 17 Geiseln zurück in Israel
Die Terrororganisation Hamas hat 17 weitere Geiseln freigelassen. Von den 13 Israelis unter ihnen haben vier laut Bundesaußenministerin Baerbock auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Zudem wurden vier Thailänder freigelassen.
Nach stundenlangen Verzögerungen hat die radikalislamische Hamas am Samstagabend eine zweite Gruppe von Geiseln freigelassen. Wie die israelische Armee mitteilte, kehrten die 17 Freigelassenen über Ägypten nach Israel zurück. Nach Angaben der israelischen Regierung handelt es sich um 13 Israelis und vier Thailänder. Sie sollten nach einer ersten medizinischen Untersuchung von der israelischen Armee in Krankenhäuser begleitet werden, wo sie mit ihren Familien zusammengeführt werden sollen, teilte das Militär mit.
Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte, die Regierung "umarmt die Geiseln, die nach Hause zurückkommen, 13 unserer Staatsbürger und vier thailändische Staatsbürger". Die meisten der Israelis - sieben Kinder im Alter zwischen drei und 16 Jahren und sechs Frauen zwischen 18 und 67 - waren aus dem Kibbuz Beeri entführt worden.
Vier Deutsch-Israelis unter den Freigelassenen
Der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, hatten die Geiseln nach eigenen Angaben kurz vor Mitternacht an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben. Das Rote Kreuz brachte die Freigelassenen über den Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens nach Ägypten. Von dort aus wurden sie nach Israel gebracht.
Unter den freigelassenen Israelis sind auch vier deutsche Staatsbürger. Das teilte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf der Plattform X mit. "Ich denke an sie und an die, die noch in den Händen der Hamas sind. Wir arbeiten mit aller Kraft daran, dass auch sie bald in Freiheit sind", schrieb Baerbock.
Die Hamas teilte am Abend mit, dass der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan die Freilassung der thailändischen Geiseln aus dem Gazastreifen vermittelt habe. Alle seien in Sicherheit, in stabiler mentaler Verfassung und in der Lage, normal zu sprechen, teilte Thailands Ministerpräsident Srettha Thavisin mit. "Sie wollen duschen und ihre Angehörigen kontaktieren", schrieb er auf X. Nach Angaben des thailändischen Außenministeriums befinden sich noch immer 18 Landsleute in Gefangenschaft.
Zunächst für tot gehaltenes Mädchen unter Freigelassenen
Auch ein zunächst für tot gehaltenes, neunjähriges irisch-israelisches Mädchen, ist unter den Freigelassenen. "Emily ist zu uns zurückgekommen!", schrieb ihre Familie in einer Mitteilung der Zentrale des Forums von Geiseln und Vermissten am späten Samstagabend. "Wir finden keine Worte, um unsere Gefühle nach 50 schwierigen und komplizierten Tagen zu beschreiben. Wir sind überglücklich, Emily wieder in die Arme schließen zu können." Emily Hand war während ihrer Geiselhaft neun Jahre geworden, was in Dublin vor anderthalb Wochen mit einer Party gefeiert worden war.
Nach der Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober war das Mädchen zunächst für tot gehalten worden. Ihr aus Irland stammender Vater Thomas Hand hatte in einem emotionalen Fernsehinterview unter Tränen seine Erleichterung darüber geäußert, dass sie nicht in die Hände der Hamas gefallen sei, weil das noch "schlimmer als der Tod" gewesen wäre. Später hieß es dann, sie sei womöglich doch als Geisel nach Gaza verschleppt worden. Vergangene Woche hatte Thomas Hand dann in einem emotionalen Appell die Freilassung seiner Tochter gefordert und gesagt, die Familie erlebe einen Albtraum.
39 Palästinenser kommen aus israelischer Haft frei
Im Gegenzug kamen noch in der Nacht 39 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen frei. Dabei handelt es sich um 33 Minderjährige und sechs Frauen aus zwei Gefängnissen. Das berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie sie in Ost-Jerusalem sowie im Westjordanland willkommen geheißen wurden. In einem Video der "Times of Israel" sind in den Menschenmengen auch hochgehaltene grüne Fahnen der islamistischen Hamas zu sehen.
Die freigelassenen Häftlinge seien alle wegen terroristischer Straftaten verurteilt oder angeklagt worden, erklärte der israelische Armeesprecher Doron Spielman. Dass sich die Freigelassenen unter den Fahnen der Hamas feiern ließen, zeige, um was für Menschen es sich handele. "Es ist eine Schande, dass wir sie freilassen", sagte der Armeesprecher.
Die bekannteste freigelassene Palästinenserin ist die 38-jährige Israa Dschaabis, die 2015 wegen der Explosion einer Gasflasche in ihrem Auto an einem Kontrollpunkt und der Verletzung eines Polizisten zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Verzögerung bei der Übergabe
Nur wenige Stunden vor der nun erfolgten Freilassung der Geiseln hatte die Hamas eine Übergabe in letzter Minute überraschend gestoppt. Als Grund nannte die Terrororganisation, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil des Geisel-Deals verstoßen habe. Sie warf Israel vor, nicht wie vereinbart ausreichend Hilfslieferungen auch in den nördlichen Teil des Gazastreifen ermöglicht zu haben.
Ob dies tatsächlich Teil des von Katar vermittelten Abkommens zwischen den beiden Konfliktparteien war, ist unklar. In Israel war zunächst immer die Rede davon, Transporte mit Hilfsgütern wie Nahrung und Treibstoff in den Süden zu ermöglichen, wohin sich Zehntausende Palästinenser vor den Kämpfen im Norden geflüchtet haben.
Katar, Ägypten und US-Präsident Biden vermittelten
Auf Vermittlung Ägyptens und Katars lenkte die Hamas am späten Samstagabend dann doch ein. Bevor die katarische Delegation am Abend die grundsätzliche Einigung verkündete, meldeten zeitweise mehrere israelische Medien, dass Israels Regierung mit einer Wiederaufnahme der Offensive im Gazastreifen gedroht habe, sollten die von der Hamas verschleppten Geiseln nicht bis Mitternacht freigelassen werden. Eine offizielle Bestätigung für diese Bericht gab es allerdings nicht.
Auch US-Präsident Joe Biden hatte sich eingeschaltet, um die Blockade des Deals zu lösen. Der 81-Jährige telefonierte am Samstag mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, und dem katarischen Premier- und Außenminister, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, wie eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung mitteilte. In dem Gespräch sei es darum gegangen, mögliche Verzögerungen bei der Umsetzung des Abkommens zwischen Israel und der Hamas zu beseitigen.
Nach dem Telefonat hätten hochrangige Regierungsbeamte engen Kontakt zu den Israelis, Katarern und Ägyptern gehalten, "um die Hürden für die Umsetzung zu überwinden", hieß es weiter. Später hätten Bidens Mitarbeiter von den Katarern erfahren, dass die Vereinbarung wieder in Kraft sei und das Rote Kreuz die Geiseln abholen werde.
Katar sieht Chancen für längere Waffenruhe
Israel und die Hamas hatten sich am Mittwoch nach langwierigen Verhandlungen unter Vermittlung von Katar, den USA und Ägypten auf eine viertägige Feuerpause geeinigt, die erste seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas. Die Vereinbarung sieht vor, dass insgesamt 50 israelische Geiseln der Hamas sowie 150 palästinensische Gefangene freigelassen werden sollen.
Eine Verlängerung der am Freitagmorgen begonnenen Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das in dem Konflikt vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Insgesamt sieht die Vereinbarung eigentlich einen Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge vor.
Am Freitag waren in einer ersten Übergabe 24 Geiseln - 13 Israelis sowie elf Ausländer - freigekommen. Unter ihnen waren bereits vier Deutsch-Israelis. Im Gegenzug wurden 39 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen. Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass für jede Geisel aus Israel drei palästinensische Häftlinge freikommen sollen.