Krieg im Nahen Osten Netanyahu im Dilemma
Während die heftigen Kämpfe im Gazastreifen weitergehen, mehren sich Spekulationen über neue Verhandlungen zu einer Waffenruhe. Israels Regierung will davon nichts wissen - und auch die Angehörigen der Geiseln haben wenig Hoffnung.
In Jabalia versorgen palästinensische Rettungskräfte in der vergangenen Nacht Verletzte. Die Kämpfe zwischen israelischen Truppen und der Hamas gehen auch im nördlichen Gazastreifen weiter - also in dem Abschnitt, in dem die israelische Bodenoffensive am längsten andauert. Aus dem gesamten Küstengebiet meldete die Armee Gefechte. Besonders heftig sind sie offenbar weiterhin in Chan Yunis im südlichen Gazastreifen. Gestern hatte Israels Militär die Einkesselung der Stadt gemeldet. Auf Bildern waren Zivilisten zu sehen, die rennend vor den Kämpfen flüchteten.
Unterdessen wird weiter über ein mögliches Abkommen zwischen den Konfliktparteien spekuliert. Medienberichten zufolge könnte die Hamas nun doch zu einer Vereinbarung bereit sein, auch wenn ihre Forderung nach einem dauerhaften Ende der israelischen Militäroperation und einem Abzug der Truppen nicht erfüllt wird.
Angehörige der Geiseln: Kaum Hoffnung
Der israelische Analyst und ehemalige Unterhändler Gershon Baskin hält das für denkbar. "Es gibt die Möglichkeit eines Teilabkommens, dass eine zweimonatige Feuerpause beinhalten könnte - im Gegenzug für die Freilassung der zivilen Geiseln, nicht aller Entführten, wie Israel es fordert", sagt er. "Hamas verlangt allerdings die Freilassung Tausender palästinensischer Häftlinge, darunter Hunderte, die Israelis getötet haben."
Israel soll eine zeitlich begrenzte Feuerpause angeboten haben. Es gibt Medienberichte unter Berufung auf ungenannte Quellen, wonach die Gespräche unter katarischer Vermittlung schon weit fortgeschritten sind. Israelische Medien melden dagegen, die Positionen lägen weiterhin weit auseinander.
Für die Angehörigen der noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln sind diese Spekulationen schwer auszuhalten. Yair Moses bangt um seinen Vater Gadi. Der 79 Jahre alte Deutsch-Israeli ist noch in Geiselhaft, und sein Sohn hofft natürlich auf eine baldige Verhandlungslösung. "Für mich ist das solange Gerede, bis etwas feststeht", wettert Moses. "Man sollte darauf nicht bauen und auch keine Hoffnungen daran knüpfen. Verhandlungen können abgebrochen werden. Solange nichts vereinbart ist, haben wir etwas Hoffnung, aber nicht zu viel."
Netanyahu hält an Kriegszielen fest
Der innenpolitische Druck auf Israels Premier Benjamin Netanyahu, ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln abzuschließen, ist hoch. Eine dauerhafte Einstellung der Kämpfe steht aber im Gegensatz zu Netanyahus erklärtem Kriegsziel, die Hamas im Gazastreifen auszuschalten. Während einer Sondersitzung zum 75-jährigen Bestehen des israelischen Parlaments erklärte der Regierungschef: Man habe die Ziele des Krieges definiert und halte an ihnen fest.
Wir werden die Herrschaft der Hamas zerstören, unsere Geiseln - und zwar alle Geiseln - zurückbringen und sicherstellen, dass aus dem Gazastreifen keine Gefahr mehr für Israel droht.
Doch diese Ziele scheinen aktuell nicht miteinander vereinbar. Israels Premier befindet sich weiter in einem Dilemma.