Tödlicher Vorfall in Gaza Druck auf Israel steigt
International fallen die Reaktionen eindeutig aus: Israel soll aufklären, warum es bei einem Ansturm auf Hilfsgüter in Gaza-Stadt zur Katastrophe gekommen ist. Vor allem Deutschland und die USA drängen auf Antworten.
Nach dem Tod vieler Palästinenser bei der Ankunft von Hilfslieferungen in Gaza-Stadt sind die Forderungen nach einer Waffenruhe international lauter geworden. Zugleich forderten mehrere Staaten Israel auf, die Umstände der tödlichen Katastrophe aufzuklären.
"Wie es zu der Massenpanik und den Schüssen kommen konnte, muss die israelische Armee lückenlos aufklären", erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Onlinedienst X, früher Twitter. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, das Ministerium stehe bereits in Kontakt mit der israelischen Regierung und habe die "Erwartung zum Ausdruck gebracht".
"Näher am Sterben als am Leben"
Den Familien der Opfer drückte Baerbock auf X ihr Mitgefühl aus. Sie forderte mehr humanitäre Hilfe für den Gazastreifen. Die Menschen dort seien "näher am Sterben als am Leben". Baerbock bekräftigte ihre Forderung nach einer humanitären Feuerpause, "damit die Geiseln endlich aus den Händen der Hamas freikommen und nicht noch mehr Menschen in Gaza sterben. Und Hilfe sicher verteilt werden kann."
USA sehen Verhandlungen gefährdet
Auch die US-Regierung steht mit der israelischen Regierung wegen des Vorfalls in Kontakt und verlangt Antworten. Es sei das Verständnis der USA, dass eine Untersuchung im Gange sei, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. "Wir werden diese Untersuchung genau verfolgen und auf Antworten drängen."
Man habe keine gesicherten Erkenntnisse über die Geschehnisse, so Miller. "Wir benötigen dringend zusätzliche Informationen darüber, was genau geschehen ist." US-Präsident Joe Biden äußerte derweil die Befürchtung, dass das tödliche Geschehen die Verhandlungen über eine erneute Feuerpause im Gazastreifen erschweren werde.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee
Macron: "Respekt vor dem Völkerrecht"
Eine "unabhängige Untersuchung" forderte UN-Generalsekretär António Guterres. Die Verantwortlichen für die Tragödie müssten ermittelt und der Hergang rekonstruiert werden, heiß es in einer Mitteilung. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte schon zuvor auf der Plattform X seine "tiefe Empörung" über die Ereignisse zum Ausdruck gebracht.
"Ich verurteile diese Schießereien auf das Schärfste und fordere Wahrheit, Gerechtigkeit und Respekt vor dem Völkerrecht", schrieb der Staatschef. Eine sofortige Waffenruhe sei zwingend erforderlich.
Auch Italien und Spanien verurteilten die Ereignisse und forderten einen Waffenstillstand.
EU verspricht 68 Millionen Euro
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie sei "zutiefst beunruhigt über die Bilder aus Gaza". Es müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um die Geschehnisse zu untersuchen und für Transparenz zu sorgen, schrieb sie auf X. Humanitäre Hilfe sei eine Lebensader für die Bedürftigen, und der Zugang zu ihr müsse gewährleistet sein.
Von der Leyens Brüsseler Behörde kündigte an, "Anfang nächster Woche" 50 Millionen Euro Hilfsgelder an das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA auszuzahlen, die wegen der Vorwürfe der Beteiligung von UNRWA-Mitarbeitern am Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel zurückgehalten wurden.
Außerdem sollen weitere 68 Millionen Euro als Soforthilfe für die Palästinenser ausgezahlt werden. Das Geld solle an internationale Partner wie das Rote Kreuz und den Roten Halbmond gehen, teilte die EU-Kommission mit.
Katar: "Abscheuliches Massaker"
China zeigte sich nach Angaben von Außenamtssprecherin Mao Ning "schockiert". Sie rief die "betroffenen Parteien und insbesondere Israel" auf, die Kämpfe zu beenden. Die Sicherheit von Zivilisten müsse gewahrt und eine noch ernstere humanitäre Katastrophe vermieden werden, sagte sie.
Heftige Kritik an Israel kam von mehreren arabischen Staaten. Saudi-Arabien verurteilte "das Zielen" auf Zivilisten. Es habe sich um ein "abscheuliches Massaker" gehandelt, das Israel verübt habe, hieß es in einer Mitteilung des katarischen Außenministeriums vom Donnerstagabend.
Katar, einer der wichtigsten Vermittler im Krieg, rief zu internationalem Handeln auf, um die israelische "Aggression" zu beenden. In New York befasste sich der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung mit dem tödlichen Geschehen in Gaza.
Gezielte Schüsse oder Chaos und Gedränge?
Was sich genau am Donnerstag in Gaza-Stadt bei der Ankunft eines Hilfskonvois abgespielt hatte, bleibt weiter unklar. Sicher ist nur, dass viele verzweifelte Menschen versucht hatten, sich mit Hilfsgütern zu versorgen. Mehr als Hundert sollen nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde dabei gestorben sein. Über 700 wurden demnach verletzt.
Während es von palästinensischer Seite hieß, israelische Soldaten hätten gezielt in die Menge geschossen, machte das israelische Militär das Chaos und Gedränge für die Toten verantwortlich. Zwar seien Schüsse gefallen, aber dadurch habe es nur wenige Verletzte gegeben.
Armeesprecher Peter Lerner sagte dem Fernsehsender CNN, nach ersten Erkenntnissen habe sich eine Gruppe von Menschen israelischen Soldaten genähert. Das Militär habe daraufhin Warnschüsse in die Luft abgegeben. Die Gruppe habe sich den Soldaten jedoch weiter genähert und eine Bedrohung dargestellt, woraufhin die Soldaten das Feuer eröffnet hätten. Laut israelischen Medienberichten sollen sie auf die Beine gezielt haben.
WHO beklagt Versorgungslage
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt den Vorfall im Gazastreifen auch auf die katastrophale Versorgungslage in dem Palästinensergebiet zurück. Die Menschen in dem Küstenstreifen seien so verzweifelt auf der Suche nach Nahrungsmitteln, Wasser und anderen Vorräten, dass sie ihr Leben riskierten, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier in Genf. "Das ist das echte Drama, das ist hier die echte Katastrophe", sagte er.