Tod von Jina Mahsa Amini Jahrestag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen
Der Tod der jungen Kurdin Amini entzündete vor einem Jahr eine der größten Protestbewegungen des Irans. Zum Jahrestag gab es eine massive Präsenz der Sicherheitskräfte - Aminis Familie soll eingeschüchtert worden sein.
An diesem Samstag hat sich erstmals der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini gejährt, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Die Sicherheitskräfte reagierten auf den Jahrestag mit strengen Sicherheitsvorkehrungen. In der Kurdenregion des Landes wurde der Ausnahmezustand verhängt. Laut Augenzeugen waren in den vergangenen Tagen Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte in das Gebiet verlegt worden.
Haus der Eltern soll umstellt sein
Aminis Vater wurde in ihrer Heimatstadt Saghes im Nordwesten des Landes vorübergehend festgenommen und verhört, wie mehrere kurdische Menschenrechtsgruppen berichteten. Amdschad Amini sei davor gewarnt worden, den Todestag seiner Tochter zu begehen, bevor er wieder freigelassen worden sei, teilte das Kurdistan Menschenrechtsnetzwerk mit.
Die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete hingegen, Amdschad Amini sei nicht in Haft. Sie ließ in ihrer Berichterstattung allerdings offen, ob er zeitweise in Gewahrsam genommen oder ob ihm gedroht wurde.
In den sozialen Medien hieß es, rund um das Haus der Familie Amini seien Sicherheitskräfte postiert worden. Trotz Drohungen seitens der Regierung hätten Mahsa Aminis Eltern diese Woche erklärt, sie würden eine traditionelle religiöse Gedenkfeier am Grab ihrer Tochter abhalten.
Aminis Heimatort war schon vor ihrem Todestag abgeriegelt worden. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten die Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Auch in anderen Städten der Region Kurdistan herrschte eine angespannte Stimmung. Dort soll es zu Streiks gekommen sein.
Offenbar mehrere Menschen festgenommen
Dagegen meldete die Nachrichtenagentur Irna, die Lage in Saghes sei "völlig ruhig". Aufrufe zum Streik in kurdischen Gebieten seien wegen "der Wachsamkeit der Menschen und der Präsenz von Sicherheits- und Militärkräften" ins Leere gelaufen.
"Eine Reihe von Agenten, die mit konterrevolutionären Gruppen in Verbindung standen und geplant hatten, Chaos zu stiften und Medienmaterial vorzubereiten, wurden in den frühen Morgenstunden festgenommen", zitierte die Nachrichtenagentur Irna einen Vertreter der Provinz Kurdistan. Auch die Nachrichtenagentur Tasnim berichtete von mehreren Festnahmen durch den Geheimdienst.
Aufnahmen, die in sozialen Medien verbreitete wurden, zeigen offenbar Proteste in Gohardascht, einem Stadtteil von Karadsch westlich der Hauptstadt Teheran und sowie in Maschhad im Nordosten des Landes. Ein Video zeigte eine Gruppe von Demonstranten in Gohardascht, die skandierten: "Wir sind eine großartige Nation und werden den Iran zurückerobern." Autofahrer hupten und signalisierten den Demonstrantinnen und Demonstranten ihre Unterstützung. Die Echtheit des Videos konnte zunächst nicht bestätigen werden.
500 Menschen sollen getötet worden sein
Die 22-jährige Kurdin Amini war vor einem Jahr im Gewahrsam von Sicherheitskräften gestorben, nachdem die sogenannte Sittenpolizei sie festgenommen hatte. Ihr war vorgeworfen worden, die Kleiderordnung nicht befolgt zu haben. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste schnell im ganzen Land - sie waren die größten seit dem Sturz des Schahs und der Islamischen Revolution im Jahr 1979.
Vor allem die junge Generation ging gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Demonstrationen, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen.
Mehr als 500 Menschen, darunter 71 Minderjährige, wurden damals nach Angaben von Menschenrechtsgruppen getötet. Hunderte Menschen wurden verletzt, Tausende festgenommen. Sieben Männer wurden später im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet.
Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht - in diesem Ausmaß hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.
Gedenkfeiern auch in Berlin und Hamburg
In Deutschland gab es zum Jahrestag verschiedene Demonstrationen und Aktionen in mehreren Städten. In Hamburg schätzte das Lagezentrum, dass sich rund 2.500 Menschen an Demonstrationen beteiligt hätten. Es sei zu vereinzelten Verkehrsbehinderungen gekommen. In Berlin gab es Aktionen unter anderem am Großen Stern und vor dem Reichstagsgebäude.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran unterdessen weitere Unterstützung gegen Unterdrückung. "Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung", erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen.