Freilassung weiterer Geiseln Das Kalkül der Hamas
Wieder hat die Hamas zwei Gefangene freigelassen. Etwa 220 Menschen werden nach israelischen Schätzungen noch festgehalten. Angesichts der erwarteten Gegenoffensive scheint die Hamas die Geiseln als Druckmittel zu nutzen.
Yocheved Lifschitz sieht erschöpft aus. Erschöpft, aber glücklich. Sie sitzt in einem Rollstuhl in einem Krankenhaus in Tel Aviv - umringt von ihren zehn Enkelkindern. Zu sehen ist das Foto auf dem Instagram-Account ihres Enkels Daniel. Er sagt: "Wir hoffen wirklich sehr, dass das nur der Anfang ist für weitere Freilassungen." Das sei noch wichtiger als die jetzigen. "Wir hoffen, dass das nur der Anfang war."
Die Hamas hatte Lifschitz und eine weitere Frau am Abend an das Rote Kreuz übergeben. Sie sind 79 und 85 Jahre alt. Ein Hubschrauber der Armee flog sie in der Nacht in ein Krankenhaus in Tel Aviv. Zum zweiten Mal hat die Terrororganisation zwei ihrer Gefangenen gehen lassen. Nach Einschätzung der israelischen Armee sind weiter etwa 220 Menschen in der Gewalt der Hamas. Mehrere von ihnen haben auch einen deutschen Pass.
"Nicht für eine Bodenoffensive bereit"
Welche genauen Bedingungen die Hamas für die Freilassungen stellt, ist unklar. Von einem Gefangenenaustausch war zuletzt jedenfalls öffentlich keine Rede mehr. Ein hochrangiger Hamas-Funktionär im Ausland sagte nur, Israel müsse seine Aggressionen einstellen.
Für die Hamas sind die Freilassungen offenbar Teil ihrer psychologischen Kriegsführung. Sie will beweisen, dass sie zu Verhandlungen bereit sei. Und sie dürfte damit Druck aufbauen wollen auf die israelische Regierung. Das Kalkül: Israel verhandelt und wartet mit einer Bodenoffensive im Gazastreifen - was der Hamas mehr Zeit geben würde, sich darauf einzustellen.
Der frühere Generalmajor Itzhak Brik erklärt das Abwarten der Armee im israelischen Radio mit Taktik. "Anstatt dort reinzugehen, sollte man eher aus der Luft angreifen. Und die Blockade monatelang weiterführen und dafür sorgen, dass sie nur Wasser, Lebensmittel und Treibstoff erhalten. Sie müssen mit aller Kraft geschwächt werden. Parallel dazu muss die Armee die Zeit nutzen, sich auf den Krieg vorzubereiten. Denn noch ist die Armee nicht für eine Bodenoffensive bereit."
Hunderte Angriffe aus der Luft
Das Militär hat in Rekordzeit etwa 360.000 Reservisten mobilisiert. Sie sind nicht nur am Gazastreifen im Einsatz, sondern auch an der Grenze zum Libanon und im besetzten Westjordanland - eine Kraftanstrengung. Armeesprecher Daniel Hagari sagte: "Es gibt eine ganze Reihe an Überlegungen: Strategischer, operativer und taktischer Art. Wir müssen auf die ganze Region schauen, auf den Gazastreifen." Und letztlich gebe es noch die politische Ebene, "deren Entscheidungen wir ausführen."
Soll wohl heißen: Wir sind bereit, noch fehlt aber der Befehl. Um eine blutige Bodenoffensive mit hohen Verlusten zu vermeiden, greift die Armee weiter aus der Luft Ziele im Gazastreifen an. Allein gestern sollen es mehr als 400 gewesen sein - Tunnel und andere Rückzugsorte der Terroristen. Wann eine Offensive am Boden beginnt, ist weiter offen.