Gazastreifen Hoffen auf Hilfslieferungen
Seit Tagen warten Lkw mit dringend benötigter Hilfe für die Menschen im Gazastreifen am Grenzübergang Rafah. Nun könnten erste Lkw in Kürze passieren. Deutschland sagte 50 Millionen Euro humanitäre Soforthilfe für den Gazastreifen zu.
Knapp zwei Wochen nach dem Terror-Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel warten die mehr als zwei Millionen Menschen im abgeriegelten Gazastreifen weiter auf dringend benötigte humanitäre Hilfen. Es fehlt an allem: sauberem Wasser, Nahrungsmitteln, Medikamenten, Unterkünften.
Von "katastrophalen Bedingungen" spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO. Doch nicht nur Hilfsorganisationen schlagen Alarm, auch politisch stieg zuletzt der Druck, vor allem den Grenzübergang Rafah zu öffnen. Es ist der einzige Übergang von Ägypten in den Gazastreifen. Lkw mit tonnenweise Hilfsgütern warten hier seit Tagen auf Durchfahrt.
Nachdem Israel schließlich der Öffnung für humanitäre Güter unter Bedingungen zugestimmt hatte, schien eigentlich der Weg frei. Doch waren die Straßen infolge der israelischen Luftangriffe beschädigt. Nun sollen sie ausgebessert und die Straßen soweit befahrbar sein. Die Öffnung des Grenzübergangs für erste Lkw steht nun offenbar kurz bevor.
Öffnung am Freitag?
Die beabsichtigte Öffnung von Rafah am Freitag, dem einzigen nicht von Israel kontrollierten Zugang zum Gazastreifen, wurde vom staatsnahen ägyptischen TV-Sender Al Kahera News gemeldet. "Wir hoffen, dass es morgen eine Überquerung gibt", sagte auch WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Zugleich warnte er: "Aber aufgrund der Erfahrungen der letzten Tage sind wir zugleich besorgt, ob es geschehen wird."
Die Hilfsgüter in den Lastwagen stammen aus Ägypten oder wurden von anderen Staaten zum nahegelegenen Flughafen in al-Arisch geflogen, der Hauptstadt der ägyptischen Provinz Nord-Sinai. Auf der anderen Seite der Grenze warten derweil Dutzende Palästinenser und hoffen darauf, nach Ägypten zu gelangen, darunter sind auch viele Doppelstaatler. Ägypten fürchtet einen unkontrollierbaren Zuzug von Flüchtlingen und hatte die Aufnahme von Palästinensern aus dem Gazastreifen abgelehnt.
Keine Hilfsgüter für Hamas
Die Öffnung von Rafah war von US-Präsident Joe Biden und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi vereinbart worden. Nach den Worten des US-Präsidenten sollen zunächst 20 Lastwagen in den Gazastreifen fahren dürfen. "Wir wollen so viele Lastwagen rüberschicken wie möglich", sagte Biden auf dem Rückflug von seinem Israel-Besuch. Zugleich warnte er: "Wenn die Hamas die Lieferungen beschlagnahmt oder sie nicht durchlässt, dann wird es beendet." Auch Israel hatte zur Bedingung gemacht, dass die Hilfsgüter nicht die Hamas erreichen.
Von israelischem Territorium sollten hingegen keine Hilfslieferungen für die Bevölkerung im Gazastreifen starten, bis die dort herrschende Hamas all ihre rund 200 aus Israel verschleppten Geiseln freigelassen habe, teilte die israelische Regierung mit.
Kontrollen der UN
Offenbar sollen Beobachter der Vereinten Nationen am Grenzübergang Rafah die Lastwagen inspizieren. Diese Kontrollen seien Teil einer von den UN vermittelten Einigung zwischen Israel und Ägypten, berichtet die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf informierte Kreise. Am Grenzübergang soll demnach eine UN-Fahne gehisst werden, damit es nicht zu Angriffen kommt. Neben den UN sollen demnach auch die ägyptischen und palästinensischen Rothalbmond-Gesellschaften die Lieferungen überwachen, um sicherzugehen, dass die Hilfe Zivilisten zugute kommt und nicht Extremisten in die Hände fällt.
Die israelische Armee setzte unterdessen ihre Luftangriffe auf den Gazastreifen fort. Die Bombardements und die Abriegelung des Gazastreifens sind Israels Antwort auf den Großangriff der Hamas am 7. Oktober, bei dem etwa 1400 Menschen getötet und mehr als 200 weitere in den Gazastreifen verschleppt wurden, unter ihnen mehrere Deutsche. Nach Angaben der örtlichen Hamas-Behörden wurden im Gazastreifen inzwischen mehr als 3785 Menschen getötet.
Zeitgleich mit der Bombardierung und der Abriegelung des Palästinensergebiets stoppte Israel auch die Lieferung von Treibstoff, Lebensmitteln und Wasser. Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Katastrophe. Ägypten und Jordanien forderten ein "unverzügliches" Ende der Abriegelung des Gazastreifens und sprachen von einer "Kollektivbestrafung" der dort lebenden Palästinenser.
Deutschland stockt Hilfen auf
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bezeichnete die humanitäre Lage im Gazastreifen als "katastrophal". Sie kündigte an, dass Deutschland seine Unterstützung für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit einer humanitären Soforthilfe in Höhe von 50 Millionen Euro verstärken wird.
Mit dem Geld sollen internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm, das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und vor allem das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) unterstützt werden, sagte sie in Amman. Es gehe um Hilfe für "die Palästinenserinnen und Palästinenser, die auch Opfer dieses terroristischen Angriffs der Hamas geworden sind", sagte Baerbock.