Xi Jinping mit Vertretern afrikanischer Staaten in Peking.
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Internationale Beziehungen Wie China an einer neuen Weltordnung arbeitet

Stand: 23.09.2024 17:29 Uhr

China arbeitet systematisch daran, die USA als führende Weltmacht abzulösen. Dafür baut Peking ein ganzes Gerüst neuer internationaler Organisationen auf - und umwirbt vor allem Länder des Globalen Südens.

Es sei an der Zeit, manche historische Ungerechtigkeiten zu korrigieren, so UN-Generalsekretär António Guterres vor wenigen Wochen beim groß angelegten China-Afrika-Gipfel in Peking. Der Gast des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping meinte damit, dass der afrikanische Kontinent innerhalb der Vereinten Nationen eine stärkere Stimme bekommen soll.

Genau das ist der wohl heikelste Punkt bei Debatten um die Zukunft der UN: Schwellen- und Entwicklungsländer fühlen sich unterrepräsentiert und vom Westen in ihrem Bedürfnis, ihre Entwicklung voranzutreiben, nicht ausreichend respektiert.

Es ist genau diese Wahrnehmung vieler Länder des Globalen Südens, die die chinesische Staats- und Parteiführung aufgreift und sich dabei selbst als eine Alternative zum westlich geprägten Modell anbietet. Eine Alternative, bei der das Recht auf Entwicklung an vorderster Stelle steht und universelle Menschenrechte relativiert werden, etwa das Recht auf individuelle Freiheit. Doch wie sehr verfängt das bislang?

Bilateralismus als wahrer Multilaterismus

Manifestiert wurde diese Stoßrichtung einer alternativen Weltordnung im Schulterschluss - und in "grenzenloser Freundschaft" - mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau vor zwei Jahren.

In einem gemeinsamen Statement wurde über einen notwendigen Wandel der Weltordnung gesprochen: Die westlichen Mächte mischten sich "in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein, verletzen deren legitimen Rechte und Interessen und behindern so die Entwicklung und den Fortschritt der Menschheit gegen den Widerstand der internationalen Gemeinschaft".

Der "wahre Multilateralismus" nach chinesischer Manier sieht also so aus: Nicht-Einmischung in die Belange anderer Länder, mit denen man unter dem Dach verschiedener Organisationen bilaterale Beziehungen pflegt.

China baut Parallelstrukturen auf

Beharrlich baut die chinesische Staats- und Parteiführung Parallelstrukturen auf, mit einem ganzen Bauwerk an unterschiedlichen Institutionen und Initiativen, bei deren Treffen die Botschaft gesendet werden soll, dass China das bessere Weltordnungsmodell propagiere.

Gebetsmühlenartig wiederholt Xi "die Schicksalsgemeinschaft der Menschheit" und das Aufbrechen in eine "neue Ära", oft kombiniert mit einer Kritik am Westen. So etwa beim jüngsten Gipfeltreffen des Forums für China-Afrika-Kooperationen, zu dem rund 50 afrikanische Staats- und Regierungschef nach Peking anreisten.

Zum Bauwerk gehören auch die Belt-and-Road-Initiative; das von China vorangetriebene BRICS-Bündnis, zu deren Gründungsmitgliedern neben China Brasilien, Russland, Indien und Südafrika zählen; und die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB). Zudem gibt es die Globale Sicherheitsinitiative und als ein zentrales Element die Globale Entwicklungsinitiative (GDI). 

"Kein allgemeingültiges Modell für Schutz der Menschenrechte"

Kurz vor dem UN-Zukunftsgipfel, der heute in New York endete, erinnerte das chinesische Außenministerium noch einmal an den außerordentlichen Erfolg dieser Entwicklungsinitiative. Rund 100 Länder und Institutionen unterstützten die GDI. In New York gebe es eine Freundesgruppe von 80 Ländern.

Das Ziel der Initiative erklärt Wang Wen von der Renmin-Universität in einem Interview: Es gehe darum, das "Recht auf Entwicklung" zu manifestieren. Ganz so, als wäre das nicht schon auch das Bestreben der UN. "Die GDI möchte einen Konsens der gemeinsamen Werte aller Länder herstellen und diese so weit wie möglich integrieren", sagt Wang.

Die chinesische Staats- und Parteiführung hatte in ihrem Entwurf zum UN-Gipfel ihre eigenen Werte klargemacht, die wenig mit der Unabdingbarkeit und Unveräußerlichkeit universeller Menschenrechte zu tun haben. Darin heißt es etwa: "Es gibt kein allgemeingültiges Modell für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte." Vielmehr müssten die Länder "das Prinzip der Universalität der Menschenrechte in Einklang bringen mit ihren nationalen Gegebenheiten und ihrer feinen traditionellen Kultur".

Ziel: USA als führende Weltmacht ablösen

Die chinesische Herangehensweise scheint in gewisser Hinsicht recht erfolgreich zu sein. Michael Bröning von der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York meint, der Globale Süden nehme China als Verbündeten in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung wahr - und das ohne lästige politische Einmischung. Chinas Rolle werde meist als konstruktiv und legitim angesehen, auch wenn China nachdrücklich die eigenen Interessen vertritt.

Eine Studie seiner Stiftung zum chinesischen UN-Engagement, bei der verschiedene Experten und Diplomatinnen befragt wurden, kommt zum Ergebnis, der Westen müsse diesen Wettbewerb mit China annehmen und selbst ein besseres Angebot an Schwellen- und Entwicklungsländer richten. Deren Bedürfnis nach einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei zu lange nicht befriedigt worden.

Die chinesische Herangehensweise, deren Ziel es letztlich ist, die USA als führende Weltmacht abzulösen, verfängt bei vielen Staats- und Regierungschefs. So etwa bei der linken Regierung in Brasilien. Für das Land ist China der wichtigste Handelspartner. Fast ein Drittel der Exporte gehen nach China.

Die Vision von Brasiliens Präsident Lula da Silva sei, als Großmachtpolitiker wahrgenommen zu werden, so Mauricio Santoro, Experte für brasilianisch-chinesischen Beziehungen an der Staatlichen Universität in Rio de Janeiro. Lula wolle sein Weltordnungsmodell, in dem der Westen nicht mehr so wichtig ist, gemeinsam mit den BRICS-Ländern und anderen aufbauen. 

UN-Experten sind sich einig, dass das chinesische Engagement und die chinesische Stimme lauter und auch selbstbewusster geworden sind. Doch Bröning etwa ist sich sicher, dass der Weg zu einer wirklich chinesisch geprägten Weltordnung noch sehr weit sei: Immerhin träfen sich die Staatschefs aus aller Welt weiterhin in New York - und nicht in China.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 06. September 2024 um 09:50 Uhr.