Erdbeben in Syrien Und wieder stehen sie vor Trümmern
Nach dem Erdbeben läuft die Hilfe für die Menschen in Syrien nur schleppend an. Und ob sie überhaupt jeden Landesteil erreichen wird, ist fraglich. Das liegt vor allem an Syriens Machthaber Assad, der die Krise für seine Zwecke nutzt.
Dass Präsident Assad zwölf Jahre nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs noch so fest im Sattel sitzt, damit hätten wohl viele nicht gerechnet. Der Syrien-Beobachter Heiko Wimmen von der International Crisis Group sagt: "Die Strategie, die Assad und seine russischen Verbündeten schon seit Jahren verfolgen, ist, das Regime zu rehabilitieren."
Assad hatte bereits vor Jahren verkündet, dass er jeden Zentimeter von Syrien zurückerobern wolle. Damals war der syrische Bürgerkrieg in vollem Gange - und Beobachter im Westen belächelten ein wenig die ambitionierten Pläne des dürren Diktators mit dem spitzen Kinn, der so eisern und grausam an seiner Macht festhielt.
Heute gilt Assad als faktischer Sieger eines brutalen Kampfes gegen die eigene Bevölkerung, der das Land zerrüttet hat. "Präsident Assad ist heute der stärkste Mann in Syrien", sagt der libanesische Militärexperte Amin Heteit. Er hat es geschafft, seine Macht zu sichern.
Nach zwölf Jahren Bürgerkrieg
Und zwar mithilfe seiner Verbündeten: Russland, Iran und die libanesische Hisbollah sind die großen Unterstützer des syrischen Präsidenten. Kritiker werfen ihm grausame Brutalität im Bürgerkrieg vor: Pausenloses Bombardement der Zivilbevölkerung, Giftgas-Einsätze, Folter. Um seine Macht zu sichern, schienen Assad und seinen Anhängern offenbar jedes Mittel recht zu sein. Doch um welchen Preis?
Zwölf Jahre Bürgerkrieg haben Syrien gezeichnet. "Wir haben Menschen, die traumatisiert sind von Krieg und Vertreibung, die in Flüchtlingsunterkünften leben", so Oliver Hochedez von Malteser International. Schon vor der Erdbebenkatastrophe waren Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Wirtschaft liegt am Boden.
Gespaltenes Land
Das Land ist in verschiedene Machtbereiche zersplittert. "Vier Kantone machen heute Syrien aus", sagt Syrien-Beobachter Wimmen. Die meisten Gebiete werden von Präsident Assad kontrolliert - er regiert Syrien nach wie vor mit harter Hand. Im Nordosten halten die Kurden große Gebiete. Das ist der Türkei ein Dorn im Auge - sie kontrolliert auch mithilfe von Milizen Teile der Grenzregion und geht militärisch gegen die Kurden vor. Und die syrische Opposition?
Übrig geblieben sind nach den langen Kriegsjahren vor allem extremistische Gruppierungen, die im Nordwesten in der Region Idlib das Sagen haben. Abgeschottet vom Rest Syriens, der einzige Weg zur Außenwelt der Grenzübergang Bab al Hawa Richtung Türkei, von dort erreichten bislang UN-Hilfsgüter die bitterarmen Zivilisten - Binnenflüchtlinge aus ganz Syrien, die im Nordwesten teilweise seit Jahren unter katastrophalen Bedingungen leben. Und ausgerechnet diese Region traf jetzt das Erdbeben in Syrien am schlimmsten.
Am Flughafen in Aleppo kommen schon seit Tagen Hilfsgüter an. Sie bleiben jedoch in den von Assad kontrollierten Gebieten.
Nordwesten Syriens auf sich allein gestellt
Hochedez von Malteser International sagt: "Das sind die Menschen, die am wenigsten haben zum Leben und jetzt unter den Erdbeben und auch dem harschen Winter am größten leiden." Die Menschen im Nordwesten Syrien sind seit Tagen auf sich allein gestellt, erst jetzt gibt es endlich Hoffnung: Straßen wurden repariert, Hilfsgüter können ab heute in die Region gelangen.
In Aleppo und Damaskus landen dagegen schon seit Tagen Hilfsflugzeuge - doch die Hilfsgüter bleiben bislang offenbar in den von Assad kontrollierten Gebieten, entgegen Versprechungen der Regierung.
Kritiker sagen: viel zu spät habe Assad nach dem Erdbeben reagiert, die Rettungsarbeiten kamen nur schleppend in Gang und zu spät wurde internationale Hilfe angefordert.
Assad nutzt Krise für eigene Interessen
Und statt der eigenen Bevölkerung in der Krise effektiv zu helfen, nutzt die syrische Regierung die Katastrophe für die eigenen Interessen. Beobachter sagen, die Regierung politisiere das Elend für Propaganda und kämpferische Rhetorik Richtung Westen. Vor allem wird die Forderung laut, die gegen Syrien verhängten Sanktionen aufzuheben. Die EU und USA weisen das zurück. Auch Syrien-Beobachter Heiko Wimmen überzeugt die Forderung der syrischen Regierung nicht:
Grundsätzlich ist es so, dass die Sanktionen keinen Einfluss auf Hilfslieferungen haben. Das ist also ein Scheinargument. Das wird genutzt von Assad und seinen Anhängern, um diese Geschichte fortzusetzen, dass alles, was in Syrien da ist an Elend, an wirtschaftlichen Schwierigkeiten, dass all das am Ende nur auf die Sanktionen zurückzuführen ist.
Machtspiele und Propaganda, sagen Kritiker - die Leidtragenden sind die Menschen in den Erdbebengebieten, die Verschütteten unter den Trümmern, für die in Syrien bald jede Hilfe zu spät kommt.