UN-Bericht zu Afghanistan Mehr als 200 Tötungen unter Taliban-Herrschaft
In Afghanistan sind laut einem UN-Bericht seit der Machtübernahme der Taliban mehr als 200 ehemalige Beamte oder Soldaten außergerichtlich getötet worden. Zudem wurden mindestens 800 Menschenrechtsverletzungen dokumentiert.
Seit der Machtergreifung der Taliban sind neben Zivilisten auch Hunderte Beamte Opfer der Extremisten geworden. Der UN-Mission in Afghanistan UNAMA zufolge hat es 218 außergerichtliche Tötungen von ehemaligen Regierungsanhängern und Sicherheitskräften gegeben. Besonders stark betroffen waren frühere Mitglieder der Streitkräfte, Polizei und Geheimdienste, wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht.
"Der UNAMA-Bericht zeichnet ein ernüchterndes Bild von der Behandlung von Personen, die mit der früheren Regierung und den Sicherheitskräften Afghanistans in Verbindung stehen, seit die Taliban das Land übernommen haben", sagte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk in der begleitend zum Bericht veröffentlichten Stellungnahme.
Meist seien die Opfer kurz zuvor von Sicherheitskräften der Taliban festgenommen worden, hieß es in dem Report. Einige der Männer seien in Haft, andere verschleppt und an unbekannten Orten getötet worden. Ihre Leichen seien entweder verscharrt oder an Angehörige übergeben worden. In einigen Fällen wurden die Vermissten laut Angehörigen nie gefunden.
Mindestens 800 Fälle schwerer Menschenrechtsverletzung
Festgehalten wurden auch Menschenrechtsverletzungen: Mindestens 800 Fälle seien bekannt, darunter Verschleppungen, Folter, willkürliche Haft und Drohungen. Konkret hat UNAMA 424 Fälle willkürlicher Haft ehemaliger Soldaten oder Regierungsbeschäftigter erfasst.
In Interviews beschrieben einzelne Personen der UNAMA die Foltermethoden. So sollen die Sicherheitskräfte der Taliban die Opfer unter anderem mit Rohren und Kabeln misshandelt haben.
Taliban halten Amnestie nicht ein
Die Taliban hatten nach ihrer Machtübernahme zunächst eine Amnestie für ehemalige Regierungsanhänger und Soldaten versprochen. Experten und Aktivisten der afghanischen Zivilgesellschaft warnten eindringlich vor der islamistischen Gruppe und zweifelten die Versprechungen früh an.
Im Bericht fordert die UN-Mission UNAMA nun die de-facto-Regierung unter Führung der Taliban dazu auf, die zugesicherte Amnestie einzuhalten und transparente strafrechtliche Ermittlungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen gegen ehemalige Regierungsbeamte durchzuführen. Die Vorwürfe im Bericht wiesen die Taliban zurück.
Lage in Afghanistan unter Taliban-Herrschaft prekär
Am 15. August 2021 haben die Taliban - noch vor dem vollständigen Abzug der US-Truppen - Afghanistan erobert. Anfangs hatten sie versprochen, moderater zu regieren. Zuletzt wurde die Herrschaft immer autoritärer und dogmatischer. Auch die humanitäre Lage im Land ist prekär.
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan UNAMA wurde am 28. März 2002 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, afghanische Institutionen bei der Umsetzung der Bonner Beschlüsse zu unterstützen - beispielsweise auf den Gebieten Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung.