Nach angedrohten Abschiebungen Afghanischer Exodus aus Pakistan
Mehr als 140.000 Afghanen haben laut pakistanischen Angaben das Land verlassen - nach der Ankündigung der Regierung, alle ohne gültige Papiere abzuschieben. Hilfsorganisationen zufolge fehlt es den Betroffenen am Nötigsten.
Nach der Androhung der pakistanischen Regierung, Tausende Abschiebungen umzusetzen, haben Behördenangaben zufolge mehr als 140.000 Afghanen das Land verlassen. Die Frist war gestern abgelaufen. Binnen 24 Stunden hätten rund 30.000 afghanische Flüchtlinge das Land verlassen, teilten Vertreter der pakistanischen Grenzprovinzen mit.
Die pakistanischen Behörden gehen hart gegen Geflüchtete vor. In der Hauptstadt Islamabad ließen sie eine Flüchtlingssiedlung abreißen. In weiten Landesteilen Pakistans wurden Abschiebezentren eingerichtet. Laut der pakistanischen Flüchtlingsbehörde werden Geflüchtete zudem festgenommen. Davon seien jedoch auch Menschen mit Aufenthaltsstatus betroffen.
Die pakistanische Regierung will Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus abschieben, die nicht bis Ende Oktober das Land verlassen haben. Von der Maßnahme sind vor allem Menschen aus dem von den islamistischen Taliban beherrschten Nachbarland Afghanistan betroffen, die in Pakistan den größten Anteil irregulärer Migranten ausmachen. Nach Regierungsangaben lebten zuletzt etwa 4,4 Millionen afghanische Geflüchtete im Land, 1,7 Millionen davon ohne gültige Papiere.
Schlange an Grenzübergang
Am wichtigen Grenzübergang Torkham zwischen Pakistan und Afghanistan bildete sich eine kilometerlange Schlange aus Lastwagen und Menschen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. "Wir wissen, dass es dort Dunkelheit geben wird", sagte demnach eine afghanische Frau unter den Wartenden. In ihrem von den islamistischen Taliban beherrschten Heimatland sieht sie eine schwere Zukunft. "Ich mache mir Sorgen um meine Töchter."
Die radikalislamischen Taliban teilten mit, sie hätten in der Grenzregion Unterkünfte für Rückkehrer eingerichtet. Auf von Taliban-Medien veröffentlichten Bildern waren Zelte zu sehen.
Ein Polizeibeamter eskortiert einen afghanischen Staatsangehörigen, der laut Polizei ohne Papiere war.
Innenminister betont "Entschlossenheit"
Innenminister Sarfraz Bugti stellte die Abschiebung von 64 Afghanen auf der Plattform X als Beleg für die Entschlossenheit der Regierung dar, die Abschiebeankündigung wahr zu machen. "Diese Maßnahme ist ein Beweis für die Entschlossenheit Pakistans, alle Personen, die sich ohne ordnungsgemäße Papiere im Land aufhalten, zurückzuschicken", schrieb Bugti.
Als Grund für die Abschiebungen hatte der Innenminister eine Verschärfung der Sicherheitslage genannt. Pakistan kämpft neben einer schweren Wirtschaftskrise mit einem Erstarken der pakistanischen Taliban (TTP). Dafür seien auch afghanische Flüchtlinge verantwortlich, so die Regierung. Die Abschiebungen finden wenige Monate vor den Parlamentswahlen statt, die für Anfang Februar geplant sind.
"Schwere Bedenken" angesichts des Winters
Die Hilfsorganisation Save the Children erwartet, dass viele afghanische Familien den Winter in Lagern in der Grenzregion verbringen werden müssen, weil sie seit der Flucht aus Afghanistan keinen Ort mehr hätten, an den sie zurückkehren könnten, sagte Geschäftsführer Florian Westphal.
Die Afghanen, die nun in ihr Heimatland zurückkehrten, hätten keinen Platz, an den sie zurückgehen könnten, teilten auch der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC), der Dänische Flüchtlingsrat (DRC) und das International Rescue Committee (IRC). Die drei Hilfsorganisationen teilten "schwere Bedenken hinsichtlich der Überlebens- und Wiedereingliederungsaussichten von Rückkehrern aus Pakistan in die afghanische Gesellschaft, vor allem angesichts des Wintereinbruchs", teilten sie mit.
Großer Bedarf an internationaler Hilfe
Ihrer Kenntnis nach kommen derzeit täglich 9.000 bis 10.000 Menschen in Afghanistan an. Die Bedingungen dabei seien katastrophal. Viele der Afghanen hätten beschwerliche, mehrtägige Reisen hinter sich, bei denen sie der Witterung ausgesetzt gewesen seien. Oft seien sie dabei dazu gezwungen gewesen, ihren Besitz im Tausch für Transportmöglichkeiten aufzugeben. Zugleich überfordere der jüngste Anstieg der Rückkehrer die Ressourcen der Hilfsorganisationen und die fragile Infrastruktur in Afghanistan. Es gebe großen Bedarf an internationaler Hilfe.
Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte nach Angaben seines Sprechers seine Sorge. Afghanistan sei in vielfacher Hinsicht nicht darauf vorbereitet, die Menschen wieder aufzunehmen.