Viele Afghanen betroffen Pakistan will alle illegalen Einwanderer abschieben
Knapp zwei Millionen Afghanen leben als Flüchtlinge in Pakistan - viele von ihnen seit langer Zeit. Wer keine Dokumente hat, soll nun ausgewiesen werden. Beobachter fürchten eine humanitäre Katastrophe.
Pakistans geschäftsführender Innenminister Sarfraz Bugti ist sich sicher: Von den 24 Selbstmordattentätern, die dieses Jahr Pakistan angegriffen hätten, seien 14 afghanische Staatsangehörige gewesen, die in Pakistan leben. Dann zählt er die schwersten Anschläge auf - Anschläge, die der in Pakistan aktiven Taliban-Gruppe TTP zugeschrieben werden: in Peschawar im Januar, in Belutschistan im Mai und dann wieder im Juli, an der Grenze zu Afghanistan im September. Dutzende Tote. Damit sei nun Schluss, so Bugti. Alle illegalen Einwanderer müssten Pakistan verlassen. Und dabei ist klar, wer gemeint ist: Es geht ganz überwiegend um Afghaninnen und Afghanen.
Frist bis zum 1. November
"Den illegalen Einwanderern hier, denjenigen, die nicht rechtmäßig in Pakistan leben, setzen wir eine Frist bis zum 1. November. Bis dahin sollen sie in ihre Heimatländer zurückkehren. Wer das nicht tut, gegen den werden der Staat, die Provinzregierungen, die Bundesbehörden, alle Strafverfolgungsbehörden vorgehen - sie werden sie abschieben", erklärt Bugti.
Eine brutale Botschaft, die sich an 1,7 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsstatus richtet. Von den afghanischen Flüchtlingen sind viele seit vierzig Jahren in Pakistan, manche aber auch erst gekommen, als die Taliban vor gut zwei Jahren die Macht in Afghanistan übernommen hatten. Weitere fast drei Millionen Afghanen im Land haben zumindest pakistanische Dokumente und sind von dem Erlass nicht erfasst. Dennoch leben sie oft seit Jahrzehnten als Bürger zweiter Klasse.
"Wir kriegen keine Staatsbürgerschaft"
Dies ist dein Pakistan, dies ist mein Pakistan, singen sie in der Sufaid Dheri-Schule in Peschawar, einer Grundschule nur für Jungen. Knapp 400 Schüler sind hier. Kinder pakistanischer Eltern, aber auch viele Kinder von Afghanen.
Der Schuhmacher Shamsuddin hat zwei Söhne in der Schule. Seit 44 Jahren sei er in Pakistan und lebe in Frieden mit seinen pakistanischen Nachbarn. "Wir haben eigentlich gute Beziehungen untereinander. Aber man nennt uns immer noch Flüchtlinge. Egal was wir tun, egal wie lange wir hier leben. Wir kriegen hier keine Staatsbürgerschaft. Das trennt uns. Ansonsten ist es gut und wir sind glücklich, aber eben immer Flüchtlinge", so Shamsuddin.
Kein Schutzstatus für Flüchtlinge in Pakistan
Pakistan hat die UN-Flüchtlingskonvention nie unterzeichnet. Es gibt auch keine nationale Gesetzgebung, die Flüchtlingen einen Aufenthaltsstatus garantieren würde. Seit 15 Jahren zumindest stellt das Land besondere Ausweise für Afghanen aus. Doch längst nicht alle haben die bekommen - und deshalb trifft die Ankündigung so viele.
Qurban Nazar kam in den 1980er-Jahren aus Afghanistan. Er lebt im Süden des Landes, in Karatschi. "Wenn wir gezwungen werden, Pakistan zu verlassen, werden wir gehen. Aber es ist unser Recht, in Pakistan zu bleiben, sowohl nach dem Islam als auch nach demokratischen Normen. Vierzig Jahre sind eine sehr lange Zeit. Es sollte Gerechtigkeit geben", fordert Nazar.
Schattenregime der pakistanischen Taliban
Den pauschalen Vorwurf von Innenminister Bugti, illegale afghanische Flüchtlinge seien an Pakistans prekärer Sicherheitslage schuld, halten viele im Land für überzogen und für einen Vorwand. Im Grunde gehe es um die pakistanischen Taliban von der TTP. Sie haben in manchen Gegenden im Westen Pakistans ein Schattenregime errichtet, und sie verüben Anschläge im ganzen Land.
Die in Afghanistan regierenden Taliban sagen zwar, sie hätten keinen Einfluss auf die TTP. Doch die Terroristen nutzen das Grenzgebiet, um sich auf afghanisches Territorium zurückzuziehen. Oder auch die afghanischen Exil-Gemeinden, um sich zu verstecken - ein Grund, weshalb nun Afghanen in Pakistan ins Visier der Regierung gerieten.
Wie die zwangsweise Ausweisung von 1,7 Millionen Menschen zurück nach Afghanistan praktisch vonstattengehen soll - das hat der Innenminister bislang nicht gesagt. Es sei gar nicht zu organisieren, sagen Kritiker, und vor allem: Es würde zu einer humanitären Katastrophe führen.