Nach der Wahl in Venezuela Tausende demonstrieren erneut gegen Maduro
In Venezuela sind Tausende dem Aufruf der Opposition zu landesweiten Demonstrationen gegen die Wiederwahl von Präsident Maduro gefolgt. Hintergrund sind massive Zweifel am offiziellen Wahlergebnis, das Maduro zum Sieger erklärt hatte.
"Libertad, Libertad, Libertad" - Freiheit, Freiheit skandieren Tausende Menschen, die sich im Mittelschichtsviertel Las Mercedes in der Hauptstadt Caracas versammelt haben. Die Oppositionsführerin María Corina Machado steht breitbeinig auf einem Transporter und spricht mit einem Mikro in der Hand, kämpferisch zu ihren Anhängern: "Heute ist ein wichtiger Tag. Nach sechs Tagen brutaler Repression, dachten sie, dass sie uns zum Schweigen bringen, verängstigen und zum Stillstand bringen können. Das hier zeigt der Welt, dass wir uns dem Ende nähern"
Es ist der erste öffentliche Auftritt der Oppositionsführerin. Seit Anfang der Woche hatte Machado sich versteckt gehalten, weil sie um ihr Leben fürchten müsse, wie sie sagte. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen sie und den Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Edmundo González, unter anderem weil, sie den Wahlrat gehackt haben sollen.
Proteste trotz anhaltender Repressionen
Mit einer derart großen Protestbeteiligung hatten viele nicht gerechnet. Menschen soweit das Auge reicht - gerade weil der autoritäre Staatschef Nicolás Maduro repressiv seit den Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag gegen Anhänger der Opposition und Regierungskritiker vorgeht. Er hatte den Wahlsieg für sich reklamiert. Alle Zeichen deuten jedoch auf Wahlbetrug hin, zumal Maduro nicht bereit ist, die Wahlakten zu veröffentlichen oder einem unabhängigen Gremium zugänglich zu machen.
Diese Anwältin hat an der Demo teilgenommen, sie meldete sich per Whatsapp. Ihren Namen will sie wie alle an diesem Tag nicht nennen, aus Angst, erkannt zu werden und auf einer Liste der Regierung zu landen. Sie sehe es als ihre bürgerliche Pflicht an. "Das ist das, was wir im Kampf für die Freiheit beitragen können. Aber jeder lebt in einem anderen Kontext. Es gibt Menschen, die sind viel exponierter, sie werden von der Regierung beobachtet."
Tausende Festnahmen, mehrere Tote
Mehr als 2.000 Menschen wurden laut Regierung festgenommen, darunter auch Minderjährige, wie die Nichtregierungsorganisation Foro Penal dokumentiert. Mindestens 20 Menschen sind ums Leben gekommen, zählt die Nichtregierungsorganisation Monitor de Víctimas.
Gerade Bewohner aus den Armenvierteln von Caracas, wie Catia, 23 de Enero oder Petare seien in den letzten Tagen massiv eingeschüchtert worden, beobachtet der Venezuela-Experte Phil Gunson von der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group: "Am Tag nach den Wahlen sind viele aus den ärmeren Stadtteilen auf die Straße gegangen. Es seien Stadtteile, die traditionell die Regierung unterstützt haben. Die Regierung scheine Angst davor zu haben, was passiere, wenn auch massenweise Menschen aus den Armenvierteln auf die Straße gehen."
Berichte über willkürliche Verhaftungen
Sicherheitskräfte gingen von Tür zu Tür, berichtet auch eine Frau. Sie hat sich für bessere Lebensbedingungen in ihrem Stadtteil engagiert und lautstark für einen Wechsel eingesetzt, die Abwahl von Maduro. Sie musste aus ihrem Haus in Petare flüchten.
"Hier werden Leute einfach verhaftet, sie werden des Terrorismus beschuldigt. Sie erfinden schlimme Dinge über Bürgerorganisationen, weil wir die Wahlen verteidigen", erzählt sie. "Und das machen wir friedlich. Das hier ist ein Aufruf an die internationale Gemeinschaft, dass sie sich entschlossen hinter uns stellt." Sie hat nicht an der Protestaktion teilgenommen. Sie versteckt sich, hat Unterschlupf in einem anderen Stadtteil gefunden.
Maduro sieht die "extreme Rechte" hinter den Protesten.
Anhänger Maduros demonstrieren ebenfalls
Währenddessen haben sich in der Nähe des Regierungspalastes Miraflores Tausende Anhänger von Maduro versammelt. Der venezolanische Staatschef steht auf der Tribüne, zeigt auf den blauen Himmel, schwärmt von der strahlenden Sonne, einem frischen Wind und appelliert dann an seine Anhänger.
"Wir sind die einzige Garantie für den Frieden. Die Opposition steht für den Hass, die Spaltung, Faschismus, die Rache, Intoleranz", sagt Maduro. "Oder braucht ihr noch mehr Beweise, um zu erkennen, wer sie sind? Braucht ihr die Nachnamen. Es ist die extreme Rechte, die sich einem globalen Plan angeschlossen hat, dem Imperialismus."
Internationaler Druck nimmt zu
Doch der Druck auf Maduro zieht weiter an. Die USA haben den Oppositionskandidaten Edmundo Gónzalez als Sieger anerkannt, weitere Länder folgten. Auch wenn die Ausgangslage sicherlich anders war - bereits 2019 hatten die USA als erstes Land den Oppositionsführer Juan Guaido, der sich selbst als Interimspräsident ernannt hatte, anerkannt, rund 60 Länder folgten - bis sie ihn ein paar Jahre später wieder fallen ließen.
Auch diese Wahlen waren von Manipulationsvorwürfen geprägt. Maduro hat sich gehalten, ist nicht zurückgetreten, hat es ausgesessen. Derzeit scheint er auch keine Anstalten zu machen. Maduro werde sicherlich nicht den Kurs wechseln, meint Venezuela-Experte Gunson. Er werde nicht zugeben, dass er die Wahlen verloren hat.
Angst vor Isolation des Landes
Länder wie Brasilien, Mexiko und Kolumbien versuchten, den Weg für Verhandlungen zu ebnen. Vielleicht seien sie auch in der Lage, einen Übergang zu verhandeln. "Aber es wird sehr schwierig. Ansonsten droht, dass Venezuela dem Weg von Nicaragua folgt. Selbst wenn es nicht so viel Gewalt geben sollte, dann wird sich Venezuela immer weiter isolieren und es wird noch mehr Armut geben. "
Sieben europäische Staaten, darunter Deutschland, bekundeten ihre "große Besorgnis" angesichts der Lage und forderten Venezuela auf, "unverzüglich alle Wahlunterlagen zu veröffentlichen, um die volle Transparenz und Integrität des Wahlprozesses zu gewährleisten".
Dieser 33-jährige Mann hofft, dass der zivile Protest anhalten wird und friedlich bleibt: "Mit viel Kreativität werden wir eine massive friedliche Bewegung. Die Welt soll uns sehen. Wir wollen keine ausländische militärische Intervention, wir wollen nur, dass diese Regierung geht."