Zulassung in den USA Eine Pille gegen Wochenbettdepression
Anstelle von Glück empfinden manche Frauen kurz nach der Geburt Trauer. In den USA ist ein Medikament gegen diese Wochenbettdepression zugelassen worden, von dem sich Forscher viel versprechen.
Nach der Geburt ihrer Tochter Leonara hat sich Sahar McMahon niedergeschlagen und beklommen gefühlt. Sie habe ihre Tochter angesehen und gedacht: "Weg hier!" Ihre Tochter habe geweint und McMahon selbst sei einfach in ein anderes Zimmer gegangen, erzählte sie im CBS-Interview.
So wie Sahar McMahon geht es vielen Frauen im späten Stadium der Schwangerschaft oder nach der Geburt. Rund eine halbe Million Frauen leiden jährlich allein in den USA unter einer postpartalen Depression - umgangssprachlich meist als Wochenbettdepression bezeichnet. Es ist eine unterschätzte, missverstandene Krankheit.
Keine normalen Hormonschwankungen
"Es geht hier nicht um den Baby-Blues", sagte Kristina Deligiannidis, Professorin am Feinstein-Institut für medizinische Forschung in New York. Postpartale Depressionen seien auch keine normalen vorübergehenden Hormonschwankungen, die die Stimmung nach einer Entbindung beeinflussen könnten und dann von selbst wieder verschwänden, erklärte die Deligiannidis.
Die Wissenschaftlerin aus New York war an der Erforschung des neu zugelassenen Medikaments beteiligt: Zurzuvae von Sage Therapeutics and Biogen ist die erste zugelassene orale Pille speziell gegen postpartale Depression.
Tablette für Zuhause weniger stigmatisierend
Wissenschaftlerin Patricia Kinser forscht an der Virginia Commonwealth University zum Thema Wochenbettdepression. Das neue Medikament nennt sie bahnbrechend. Die Erfahrung mit anderen Medikamenten zur Behandlung der seelischen Gesundheit habe gezeigt: Eine Tablette, die man Zuhause einnehmen könne, mache sie zugänglicher für die Frauen und es sei auch weniger stigmatisierend.
Sie wisse aus ihrer Arbeit mit schwangeren Frauen oder Frauen, die gerade entbunden hätten und unter einer Wochenbettdepression litten, dass sie oft nicht darüber reden wollten.
Medikament könnte Wissen über Krankheit verbreiten
So ging es etwa Krystian Mitryk. Sie sagte dem Sender Fox: "Ich wusste nichts von postpartaler Depression. Ich dachte, ich sei verrückt, darum wollte ich nichts sagen."
Aus diesem Grund hofft die Wissenschaftlerin Kinser auf einen weiteren positiven Effekt durch das neue Medikament und die Informationen darüber - nämlich, dass auch Familienangehörige oder Freunde sich bewusst darüber werden, was diese Depressions- und Angstsymptome bedeuten können. Sodass sie dann die frischgebackene Mutter dabei unterstützen könnten, Hilfe zu suchen.
Mit Risiken und Nebenwirkungen
Die Zurzuvae-Pille zur Behandlung der Wochenbettdepression soll über zwei Wochen einmal täglich eingenommen werden. Zur Behandlung für klinische Depressionen wurde das Medikament nicht zugelassen - und es gibt auch Nebenwirkungen.
"Schläfrigkeit und Schwindelgefühl scheinen die häufigsten Nebenwirkungen zu sein", so Kinser. "Wie bei allen Medikamenten zur Behandlung der seelischen Gesundheit, sehen wir auch ein leicht erhöhtes Selbstmord-Risiko."
Bis Ende des Jahres auf US-Markt
Ob Zurzuvae auch für stillende Frauen geeignet ist, ist noch nicht klar und muss noch weiter erforscht werden. Sahar McMahon, die Mutter der kleinen Leonora, welche einst im anderen Zimmer weinte, ist froh, dass sie das Medikament schon testen konnte. Sie habe sich sofort wieder wie sie selbst gefühlt.
Bis Ende des Jahres soll das neue Medikament in den USA auf den Markt kommen. Was es kosten soll und ob die Krankenkassen es übernehmen, ist noch nicht geklärt.