Dritter Jahrestag in den USA Wie der Kapitolsturm heute wahrgenommen wird
Heute vor drei Jahren wurde das US-Kapitol von Trump-Anhängern gestürmt. Die Wahrnehmung dieser Ereignisse hat sich in den USA mittlerweile verschoben - zugunsten des ehemaligen US-Präsidenten.
Luca aus Seattle steht am Vorabend des Jahrestages auf den Stufen des Kapitols in Washington. Heute erinnert dort nichts mehr an den Aufstand der Trump-Anhänger. Auch die Schutzzäune stehen längst nicht mehr. Luca denkt an die wutentbrannten Trump-Anhänger, die hier die Türen eintraten und die Fensterscheiben einwarfen. "Das waren alles Idioten, Gestörte", meint sie, "die haben verlogenen Medien geglaubt, die nicht die Wahrheit gesagt haben."
Für andere Kapitolbesucher, wie Michael aus Chicago, ist die Bewertung nicht so eindeutig. "Ich denke, da ist schon viel Fragwürdiges passiert bei der letzten Präsidentschaftswahl", gibt Michael zu bedenken, "alle Briefwahlstimmen, die erst ganz zum Schluss eintrudelten, waren für Joe Biden."
Die wildesten Verschwörungstheorien kursieren
Obwohl bis heute keinerlei Beweise für Trumps Behauptung vorliegen, die Wahl sei ihm gestohlen worden, kursieren unverändert die wildesten Verschwörungstheorien rund um den Sturm auf das US-Kapitol. So ergab eine aktuelle Umfrage der Washington Post, dass ein Viertel aller Amerikaner glaubt, dass die Bundespolizei FBI die Randale angezettelt hat. Unter Republikanern sind es sogar 35 Prozent.
"Das FBI hat viele abscheuliche Dinge auf dem Kerbholz", meint auf den Stufen zum Kapitol auch Nick aus Atlanta, "die waren an den Morden von Martin Luther King und Malcolm X beteiligt." Deshalb wäre Nick keineswegs überrascht, wenn das FBI auch beim Kapitolsturm die Hände im Spiel hatte.
Biden: Trump-Republikaner haben die Wahrheit aufgegeben
Szenenwechsel: Blue Bell, Pennsylvania, gestern Abend. "Am sechsten Januar, während der Attacke, hat noch niemand an der Wahrheit gezweifelt", so Präsident Biden gestern bei seiner ersten Wahlkampf-Rede im begonnen Wahljahr. "Damals haben sogar republikanische Abgeordnete und Fox News'-Kommentatoren die Randale verurteilt", hebt der Präsident hervor.
Und nicht nur das: 2021 fanden 52 Prozent aller Amerikaner, dass Donald Trump ein hohes Maß an Verantwortung für die Aufruhr trägt. Schon ein Jahr später waren es laut einer Umfrage des Pew Research Center nur noch 43 Prozent - Tendenz sinkend. Biden hat eine Erklärung für diese Verschiebung: "Parteipolitik, Angst und Geld haben dafür gesorgt, dass die MAGA-Republikaner die Wahrheit und die Demokratie aufgegeben haben" (Anmerkung: MAGA steht als Abkürzung des Trump-Slogans "Make America Great Again"). Immer wieder in seiner Gedenkrede zum Kapitolsturm versuchte Biden, seinen Herausforderer als Gefahr für die Demokratie zu brandmarken.
Trump stellt Biden als Demokratiegefährder dar
Trump selber war in Sioux Center ebenfalls auf Wahlkampftour. Im Bundesstaat Iowa, wo in neun Tagen die Vorwahl-Saison beginnt. Kein Wort fiel zu seiner Rolle vor drei Jahren. Dafür drehte Trump wie so oft den Spieß um, und brandmarkte Biden als Demokratiegefährder: Der habe das Justizsystem politisiert, um ihn, den er in demokratischen Wahlen nicht schlagen könne, mit unlauteren Mitteln zu vernichten.
"Deshalb stammelt sich der unehrliche Joe in seiner jämmerlichen, Ängste schürenden Rede zurecht, ich gefährde die Demokratie", sagte Trump. Voller Häme äffte Trump Bidens verbale Patzer nach: "Er ist eine Gefahr für die Demo-, Dome-, e-, a-, Demokra- … er kriegt es nicht abgelesen vom Teleprompter!" Die Lacher im Saal sind Trump sicher.
Der voraussichtliche Kandidat der republikanischen Partei zur Wahl des US-Präsidenten weiß, dass seine Anhänger ihm so gut wie alles verzeihen würden, wenn er nur die Biden-Ära beendet. 82 Prozent der republikanischen Wähler denken laut Umfrage der Washington Post, ein Biden-Sieg im November schädige die Demokratie. Und 70 Prozent gaben an, der Kapitolsturm, heute vor drei Jahre, werde überbewertet.