US-Vorwahlen Wählerfrust am Mississippi
Trump gegen Biden - dass es bei der Präsidentschaftswahl wahrscheinlich zu diesem Duell kommt, dürfte der Super Tuesday zeigen. Dann stehen in 16 Bundesstaaten Vorwahlen an. Doch viele Bürger sind unzufrieden mit den Kandidaten.
Der Schiffsmotor wummert, während sich das Boot den braunen Fluss hocharbeitet. Der Schlepper bringt einen leeren Lastkahn in den Hafen von Osceola im Bundesstaat Arkansas. An Bord ist Hafenmanager Jeff Worsham. Sein Job ist, dafür zu sorgen, dass die Lastkähne auf dem Mississippi richtig beladen werden, zum Beispiel mit Reis. Nirgendwo in den USA wird davon so viel angebaut wie in Arkansas.
Allerdings muss es die Ware erstmal bis zum Hafen schaffen, und das ist ein Problem. "Unsere Straßen sind schlecht. Wir brauchen eine bessere Infrastruktur", beklagt sich Worsham.
5,1 Milliarden US-Dollar will die Biden-Regierung in Arkansas investieren, ein Teil des Geldes ist bereits geflossen. Sein Kreuz für Joe Biden will Worsham trotzdem nicht machen, sollte der für die Demokraten im November auf dem Wahlzettel stehen. Er sei nicht zufrieden damit, wie Biden mit der Situation an der Grenze zu Mexiko umgehe. Und er glaube, der Präsident sei gesundheitlich nicht fit.
Die Politik und das Alter
So ähnlich geht es seiner Kollegin Kristen Hall. Arkansas ist einer von 16 US-Bundesstaaten, in denen am sogenannten Super Tuesday Vorwahlen stattfinden. Dass es schon jetzt kaum noch Konkurrenz für Biden und Donald Trump gibt, ärgert sie. "Ich finde, wir brauchen andere Optionen und keine Neuauflage der letzten Wahl. Joe Biden ist zu alt. Und Donald Trump ist zu arrogant."
Für letzteren habe sie 2016 gestimmt. Damals durfte die 26-Jährige zum ersten Mal wählen. Seine Politik habe ihr gefallen. Aber: Er habe sie mit seinem Verhalten enttäuscht. Sie wolle keinen unhöflichen, unverschämten Präsidenten im Weißen Haus.
Hall versteht nicht, warum es für die Parteien so schwierig ist, andere Kandidaten oder Kandidatinnen zu finden. Es gebe so viele wichtige Themen: die Situation an der Grenze, die Inflation und Studenten, die sich für ihr Studium hoch verschulden müssen. Junge Menschen seien in der Politik nicht ausreichend vertreten, sagt sie - "gerade junge Frauen. Dass das Recht auf Abtreibung gekippt wurde, wirft uns um Generationen zurück."
Zu wenig Auswahl
Auf der anderen Seite des Mississippi, nur etwa eine Stunde Fahrtzeit entfernt, wohnen Anthony, Seth und Max. Sie studieren in Memphis und sind Republikaner. Die jungen Männer organisieren Veranstaltungen auf ihrem Campus, um junge Wähler zu gewinnen.
Wie Kristen Hall finden auch sie, dass junge Menschen in der amerikanischen Spitzenpolitik unterrepräsentiert seien. Max Bonner kritisiert, dass alte Leute zukunftsweisende Entscheidungen für das Land träfen, aber "offen gesagt in dieser Zukunft nicht mehr leben werden".
Er hätte sich gewünscht, dass Ron DeSantis länger im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner geblieben wäre. Oder der 38-Jährige Newcomer Vivek Ramaswamy. Dass beide hingeschmissen haben und die Studenten am Super Tuesday in Tennessee nur noch die Wahl zwischen Trump und seiner abgeschlagenen Konkurrentin Nikki Haley haben, frustriert die drei.
Angst vor aufgeheizter Stimmung
Nicht aus Überzeugung zu wählen, das Gefühl kennt auch Annie. Sie lebt im US-Bundesstaat Minnesota. Hier, in der Nähe der Quelle, ist der Mississippi fast noch ein Bach, der sich durch die Gräser schlängelt. Annie lebt auf dem Leech Lake Reservat. Minnesota gilt als "blauer" Staat. Seit Jahrzehnten haben hier bei den Präsidentschaftswahlen immer die Demokraten gewonnen.
In ihrer Nachbarschaft aber leben viele Republikaner, auch Trump-Fans, erzählt sie. In der Stadt direkt hinter der Grenze des Reservats fühle sie sich als Indigene nicht mehr wohl. Dort spüre sie deutlich, dass sie zu einer Minderheit gehöre. Dort sei ihre Tochter als Teenagerin von Trump-Fans wüst beschimpft worden.
Wenn sie davon erzählt, muss Annie weinen. "Wie kann ein erwachsener Mann einem Kind so etwas antun?" Eigentlich glaube sie nicht mehr an Politik. Aber sollte Trump ins Rennen für die Republikaner gehen, will sie ihre Stimme den Demokraten geben. Nicht, weil sie von Joe Biden überzeugt ist. Sondern nur, weil der im Vergleich zu Trump das kleinere Übel sei.
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