UN-Bericht Vergewaltigungen durch Hamas-Terroristen "wahrscheinlich"
Einem UN-Bericht zufolge war sexualisierte Gewalt bei dem Terroranschlag der Hamas in Israel "wahrscheinlich." Die Veröffentlichung des Papiers wird von einem neuen Streit zwischen der UN und Israel begleitet.
Ein Bericht der Vereinten Nationen sieht sexualisierte Gewalt bei dem Terroranschlag der radikal-islamistischen Hamas am 7. Oktober in Israel als "wahrscheinlich" an. Es gebe "berechtigten Grund zur Annahme", dass es zu Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen an mindestens drei Orten gekommen sei, hieß es in dem Papier, das nun veröffentlicht wurde.
Der Bericht wurde von der zuständigen UN-Sonderbeauftragten für sexualisierte Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, nach einem Besuch in Israel angefertigt. Unter diesen Orten sei das Gelände eines Musikfestivals, das von den Terroristen am 7. Oktober überfallen wurde, sowie eine Straße und ein Kibbuz. "Bei den meisten dieser Vorfälle wurden Opfer einer Vergewaltigung anschließend getötet, und mindestens zwei Vorfälle standen im Zusammenhang mit der Vergewaltigung von Frauenleichen", hieß es weiter.
Der Bericht hatte dabei nicht das Mandat, Schuldige zu benennen. Es brauche eine "umfassende Untersuchung", hieß es. Der Bericht beschreibt auch Aussagen "glaubwürdiger Quellen", die von ermordeten Frauen an verschiedenen Orten in Israel berichteten, die von der Hüfte abwärts nackt waren, deren Hände auf den Rücken gefesselt waren und die mit einem Schuss in den Kopf getötet wurden. In einigen Fällen seien sie "an Strukturen wie Bäumen und Stangen gebunden" gewesen.
Mehr als 5.000 Fotos und 50 Stunden Video gesichtet
Die Untersuchung von Pattens Team fand von Ende Januar bis Mitte Februar statt. Es habe dabei Dutzende Treffen mit Vertretern von israelischen Behörden und Organisationen gegeben, mehr als 5.000 Fotos und 50 Stunden Video wurden gesichtet. Die Vereinten Nationen führten 34 Interviews mit Zeuginnen und Zeugen durch.
Das Team sprach dabei mit keinem überlebenden Opfer. Der Bericht führte das einerseits auf deren anhaltendes Trauma und andererseits auf "mangelndes Vertrauen" der Opfer in internationale Organisationen wie die UN zurück.
Im Bericht heißt es weiter, es gebe "klare und überzeugende Informationen darüber, dass sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, sexualisierte Folter, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung gegen Geiseln verübt wurde". Diese könnte in der Gefangenschaft im Gazastreifen momentan weiter andauern.
Aber diese Erkenntnisse rechtfertigen aus Pattens Sicht keine weitere Gewalt, sondern würden die dringende Notwendigkeit einer Waffenruhe unterstreichen. Eine Fortsetzung der Kampfhandlungen schütze die israelischen Geiseln nicht vor weiterer sexualisierter Gewalt, so die UN-Sonderbeauftragte: "Eine Waffenruhe sollte gerade zum Wohl der Geiseln Priorität haben."
Israels Armee: Terroristen entführten Frauen als "Sklavinnen"
Israels Militär veröffentlichte unterdessen Tonaufnahmen, die beweisen sollen, dass bei dem Überfall auf Israel am 7. Oktober Frauen auch als "Sklavinnen" verschleppt wurden. Auf den Aufnahmen, die vom Tag der Invasion stammen sollen, sind die Stimmen von Männern zu hören. Nach israelischer Darstellung soll es sich dabei auch um Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA handeln.
So soll etwa der Lehrer einer UNRWA-Schule gesagt haben, er habe eine "Sklavin" gefangen genommen, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Abend auf einer Pressekonferenz. Die Authentizität der Aufnahmen konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Eine Reaktion von UNRWA zu den Vorwürfen stand noch aus.
UN-Bericht: Einige Vorwürfe auch "unbegründet"
Einige Vorwürfe von Gewalttaten wies der Bericht der Vereinten Nationen aber als "unbegründet" zurück: "Dazu gehörte die viel beachtete Anschuldigung einer schwangeren Frau, deren Gebärmutter Berichten zufolge vor der Tötung aufgerissen worden war und deren Fötus noch im Inneren erstochen worden war", hieß es. Zudem betonte das Papier, dass es auch Hinweise zu sexualisierter Gewalt gegen Palästinenser in israelischer Gefangenschaft gibt.
Die Veröffentlichung des Reports wird von einem neuen Streit zwischen Israel und den Vereinten Nationen begleitet. Israel hatte der Weltorganisation lange vorgeworfen, auf die grausamen Verbrechen vom 7. Oktober nicht angemessen reagiert zu haben. Auch gestern warf Israels UN-Botschafter Gilad Erdan den UN in der Generalversammlung vor, mit den Hamas-Terroristen gemeinsame Sache zu machen und die verübte sexualisierte Gewalt unter den Teppich kehren zu wollen.
Wird dieser Bericht Sie aufwecken? Wird er ihre Prioritäten verändern? Werden Sie verstehen, dass eine Waffenruhe hieße, diese Frauen den sexuell misshandelnden Hamas-Monstern auszuliefern?
Noch am Abend kündigte Israels Außenminister Israel Katz an, seinen UN-Botschafter zu Konsultationen nach Hause zu beordern. Ein UN-Sprecher wies zurück, dass Generalsekretär Antonio Guterres den Bericht über die sexuelle Gewalt habe vertuschen wollen.
Ex-Gefangene berichten von Misshandlungen durch Israel
In einem unveröffentlichten Bericht des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA werfen derweil ehemals gefangene Palästinenser Israel Misshandlungen in Gefängnissen vor. Hunderte Freigelassene hätten UNRWA von "systematischen Demütigungen" berichtet, sagte UNRWA-Chef Philippe Lazzarini am Abend und bestätigte die Existenz des Papiers.
Dabei sei es den Berichten zufolge unter anderem darum gegangen, dass die Gefangenen sich nackt ausziehen mussten oder sie "Gegenstand verbaler und psychischer Misshandlung" wurden. "Wir wissen, dass häufig Schlafentzug und extremer Lärm eingesetzt wurden, um Menschen am Schlafen zu hindern", sagte Lazzarini weiter. Er erzählte auch davon, dass Palästinenser eigenen Angaben zufolge gezwungen worden waren, "tagelang, wenn nicht sogar wochenlang" Windeln zu tragen und ihnen der Zugang zu Toiletten verweigert wurde.
Lazzarini bestätigte damit indirekt auch einen Artikel der "New York Times". Darin hieß es, dass UNRWA einen bislang unveröffentlichten Bericht zusammengestellt habe, in dem von "einer Reihe von Misshandlungen, denen Gaza-Bewohner aller Altersgruppen" in Haftanstalten in Israel ausgesetzt waren, die Rede war. Der Bericht kommt der Zeitung zufolge zu dem Schluss, dass diese Art von "Behandlung" "dazu genutzt wurde, um Informationen oder Geständnisse zu erpressen, um einzuschüchtern und zu demütigen und um zu bestrafen".
Mit Informationen von Antje Passenheim, ARD New York