Mexiko Senat verabschiedet umstrittene Justizreform
Nach wochenlangen Protesten ist die Reform des mexikanischen Justizsystems beschlossen: Die Regierung feiert sie als wichtigen Schritt gegen Korruption. Kritiker fürchten um die Unabhängigkeit der Richter.
Um 3.55 Uhr am frühen Morgen hat der Senat in Mexiko-Stadt mit 86 Für- und 41 Gegenstimmen die Justizreform bestätigt. Die Mehrheit der Senatoren stimmte dafür, dass sich künftig alle Richter und Richterinnen des Landes zur Wahl stellen müssen. Der scheidende linkspopulistische Präsident Andrés Manuel López Obrador von der Morena-Partei hatte sein Lieblingsprojekt noch kurz vor seinem Ausscheiden am 1. Oktober durchgepeitscht.
Die Sitzung musste am Abend zuvor eine Zwangspause einlegen. Demonstranten stürmten den Senatssaal. "Die Justiz wird nicht fallen", skandierten sie. Seit Wochen protestieren bereits Mitarbeiter des Justizwesens und Studierende gegen die Justizreform, die eine Direktwahl aller Bundesrichter durch das Volk vorsieht.
Im Dienst der Elite?
Kritiker sehen darin die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet. Es wird befürchtet, dass infolge der Wahl der Richter durch die Bevölkerung das organisierte Verbrechen, das weite Teile des Landes kontrolliert, mehr Einfluss auf die Justiz bekommen könnte.
López Obrador verteidigte die Reform in seiner morgendlichen Pressekonferenz nach der Abstimmung als wichtigen Schritt gegen Korruption. "Was diejenigen, die gegen diese Reform sind, am meisten beunruhigt, ist, dass sie ihre Privilegien verlieren werden", sagte er. Denn die Justiz stehe aktuell im Dienst der Mächtigen, im Dienst der Wirtschaftskriminalität.
"Es gibt Minister, die von den Männern mit der größten wirtschaftlichen Macht im Land abhängig sind und das sind diejenigen, die keine Rechtsstaatlichkeit wollen. Sie wollen Klientelismus und Korruption aufrechterhalten", so López Obrador. Befürworter führen an, dass die Justiz bislang der politischen und wirtschaftlichen Elite gedient hat - dem Organisierten Verbrechen, nicht der Öffentlichkeit.
Senatoren der Opposition wechseln die Seiten
In den vergangenen Tagen hatten drei Senatoren die Seite gewechselt. Nur damit konnte die Regierungsallianz unter der Führung der Morena-Partei eine ausreichende Mehrheit im Senat erreichen. Einer davon ist Ángel Yunes Márquez, Sohn eines ehemaligen Gouverneurs von Veracruz von der rechten PAN.
"Ich weiß, dass diese Reform nicht die Beste ist. Aber ich weiß auch, dass die daraus resultierenden sekundären Gesetze uns die Möglichkeit geben, die Reform zu perfektionieren", rechtfertigte er seine Entscheidung unter lauten Zwischenrufen. "Deswegen habe ich die wohl schwerwiegendste Entscheidung meines Lebens getroffen: für ein neues Justizmodell zu stimmen."
Sowohl gegen Yunes als auch seinen Vater sind im Bundesstaat Veracruz, der von der Regierungspartei Morena regiert wird, mehrere Prozesse offen. In der Opposition wird darüber spekuliert, dass diese Verfahren nun eingestellt werden könnten.
"Radikale Entscheidung"
Die eigentlichen Probleme würden mit der Justizreform nicht gelöst, kritisiert der mexikanische Politologe Carlos Pérez Ricart. "Es handelt sich um eine radikale Entscheidung, die in der Welt keinen Vergleich hat. Es ist eine Entscheidung, die dem Land zusätzliche operative, finanzielle und wirtschaftliche Probleme aufbürden wird."
Wie etwa die aufwendigen Wahlen, die im nächsten Jahr und 2027 stattfinden sollen. Es mangele der Justiz an Transparenz, sagt Pérez Ricart, doch das behebe die Reform nicht. "Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass wir bessere Richter haben werden, dass wir besser vorbereitete Richter haben werden, engagiertere Richter als die, die wir jetzt haben. Im Gegenteil, alles scheint darauf hinzudeuten, dass wir viele Jahre an Professionalität verlieren werden."
Damit die Reform in Kraft tritt, müssen die Parlamente von 17 der 32 mexikanischen Staaten sie ratifizieren. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Regierungspartei Morena über die nötige Unterstützung dafür verfügt. Der Bundesstaat Oaxaca im Süden des Landes hat die Reform bereits durchgewunken.