Aufstände in Ecuador Geiselnahmen in mehreren Gefängnissen
Wenige Wochen nach der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Villavicencio in Ecuador zeigt das organisierte Verbrechen erneut seine Macht. Und die reicht bis in die Gefängnisse. Offenbar ringen kriminelle Banden um die Vorherrschaft hinter Gitter.
In mehreren Gefängnissen in Ecuador haben Häftlinge Gefängniswärter und Polizisten als Geiseln genommen. "Wir machen uns Sorgen um die Sicherheit unserer Beamten", sagte der ecuadorianische Innenminister Juan Zapata am Donnerstag (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Quito.
Zapata hatte zunächst erklärt, alle 57 Geiseln - 50 Gefängniswärter und sieben Polizisten - würden in einem Gefängnis in der Stadt Cuenca im Süden Ecuadors festgehalten. Später teilte die Strafvollzugsbehörde SNAI mit, es seien sechs verschiedene Justizvollzugsanstalten betroffen.
In einem in den sozialen Netzwerken verbreiteten Video aus einem der Gefängnisse in der Stadt Cuenca war ein Polizist zu sehen, der sich als Leutnant Alonso Quintana identifizierte und die Behörden bat, "keine Entscheidungen zu treffen, die die Rechte von Personen verletzen, die ihrer Freiheit beraubt sind". Der Mann war umgeben von anderen Geiseln. Innenminister Zapata bezeichnete das Video als authentisch.
Bombenanschläge in der Hauptstadt
Am Mittwoch und Donnerstag kam es zu insgesamt vier Autobombenanschlägen. In der Hauptstadt Quito detonierte ein Sprengsatz nahe eines Bürogebäudes, in dem früher die ecuadorianische Gefängnisverwaltung untergebracht war. Eine zweite Explosion in Quito ereignete sich vor dem aktuellen Sitz der Behörde.
Der Polizei und dem Innenministerium zufolge gab es weder bei den Explosionen noch im Zusammenhang mit den Geiselnahmen Verletzte. Die Behörden hatten zuletzt vermehrt Insassen verlegt, um Streitigkeiten innerhalb der Gefängnisse zwischen Bandenmitgliedern zu befrieden. Die jüngsten Gewalttaten seien Reaktionen krimineller Gruppen auf diese und andere Maßnahmen, erklärte SNAI.
Die Geiselnahmen ereigneten sich einen Tag nachdem Hunderte Sicherheitskräfte in einem Großeinsatz eines der größten Gefängnisse des Landes in der Andenstadt Latacunga im Süden Ecuadors nach Waffen, Munition und Sprengstoff durchsucht hatten.
Kontrolle über große Gefängnisse verloren
Der Staat hatte in den vergangenen Jahren die Kontrolle über große Gefängnisse verloren. In manchen Orten war es zu gewaltsamen Unruhen gekommen, bei denen Dutzende Menschen getötet wurden. Die ecuadorianischen Behörden führen den Anstieg der Gewalt in den vergangenen drei Jahren auf ein Machtvakuum zurück, das 2020 durch die Ermordung von Jorge Zambrano entstanden sei, einem Anführer der Bande "Los Choneros".
Vor drei Wochen war der ecuadorianische Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio nach einem Wahlkampfauftritt in Quito ermordet worden. Er war für seine harte Haltung gegenüber dem organisierten Verbrechen bekannt und hatte "Los Choneros" und deren inhaftierten derzeitigen Anführer Adolfo Macías alias "Fito" beschuldigt, ihn und sein Wahlkampfteam bedroht zu haben.
60 Tage Ausnahmezustand verhängt
Angesichts der Bandenkämpfe zwischen Organisationen mit Verbindungen zu Drogenkartellen in Mexiko und Kolumbien hatte Präsident Guillermo Lasso Ende Juli für 60 Tage den Ausnahmezustand für die Haftanstalten des Landes verhängt, so dass dort auch Soldaten zur Überwachung zum Einsatz kommen können.
In den Strafvollzugsanstalten Ecuadors kommt es häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Banden. Seit 2021 sind in ecuadorianischen Gefängnissen rund 430 Häftlinge ums Leben gekommen.