Amazonas Rekordbrände fressen Regenwald auf
Es ist Trockenzeit im Amazonas - ideal für Landdiebe in Brasilien, um mit Abholzen und Feuerlegen Fakten zu schaffen. Das gilt dort mittlerweile als größter Treiber der Waldzerstörung.
Schon mittags färbt sich der Himmel über Apuí orange. Die Luft ist drückend schwül und rauchig, links und rechts ragen verkohlte Baumstümpfe aus den Feldern. Es sind die Tage des Feuers, hier im Süden des Bundesstaates Amazonas.
"Du musst Feuer legen, um die Flächen von Gestrüpp und Unterholz zu reinigen. Zuerst wird abgeholzt, dann wird Feuer gelegt und später, wenn die Regenzeit beginnt, wird darauf Weidegras gesät. Wir brauchen die Flächen für Weideland," erklärt Wellington Reculiano.
Illegale Rodung ist die Norm
Er ist einer von Dutzenden neuen Siedlern in Apui, einer 25.000-Einwohner-Stadt an der staubigen Transamazônica-Straße. Land ist hier noch bezahlbar. Ganz anders ist das dort, wo Wellington herkommt: weiter südlich in Rondônia, wo sich große Viehzüchter und Sojaweiden ausbreiten. Einen offiziellen Landtitel allerdings haben Wellington und seine Frau Milene nicht.
Sie haben, unwissend, wie sie sagen, ein Grundstück gekauft, für das einst illegal Wald gerodet wurde. Das sei ganz normal in der abgelegenen Amazonasregion, wo Gesetze meist mit der Machete und dem Streichholz gemacht würden, sagt Landwirt Estevão Anghinoni, einer der Pioniere in Apui.
Ein niedergebrantes Waldstück im Amazonas-Gebiet in Brasilien. Brandrodung ist heute der größte Treiber der Waldzerstörung am Amazonas.
Bolsonaro machte Rodung einfacher
"Unter der Regierung Bolsonaro wurde das noch einfacher", erklärt er. "Man kann heute Grundstücke mit entsprechenden Geodaten einfach online registrieren. Damit sind sie noch nicht legalisiert, aber die Prüfung kann sich zwei, drei Jahre ziehen. Wird es abgelehnt, wird innerhalb von Minuten ein neuer Antrag gestellt und man ist erneut in der Warteschlange."
Währenddessen werden Fakten geschaffen. Abholzen, Feuerlegen, verkaufen - Grilagem nennt man diese Form von Landraub in Brasilien. Meist handelt es sich um staatliches Land, zunehmend dringen die Landdiebe aber auch in Schutzgebiete ein. Grilagem sei heute der größte Treiber der Waldzerstörung am Amazonas, sagt Hugo Loss von der Umweltschutzbehörde IBAMA.
"Der Süden des Bundesstaates Amazonas ist heute die Region, in der am meisten abgeholzt wird", so Loss. "Dahinter stecken oft organisierte Gruppen. Denn man holzt ja nicht einfach ab, sondern spekuliert darauf, das Land teuer verkaufen zu können." Die meisten solcher Flächen würden dann zu Rinderweiden.
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ist für seine desaströse Umweltpolitik bekannt. Abholzung, Emissionen und Landkonflikte haben unter seiner Regierung dramatisch zugenommen.
Strafen für Landraub gibt es kaum
Während Holzdiebe und Landräuber heute immer besser organisiert seien und mit ihren illegalen Geldern Wahlkämpfe von Politikern finanzierten, die ihre Interessen vertreten, habe die Regierung Bolsonaros systematisch Kontrollen abgebaut und Behörden wie der IBAMA die Gelder gekürzt, erzählt Loss aus eigener Erfahrung. Die Verbrecher müssten heute kaum noch Strafen fürchten.
Zurück auf dem Land der Reculianos bei Apui. Nur wenige Kilometer entfernt steht plötzlich eine Wand aus Feuer. Mehrere Hundert Hektar brennen da, und die Flammen kommen immer näher. Milene und Wellington rennen los, stecken das Gras und Unterholz um ihr Haus nun selbst in Brand, damit das Feuer dort kein Fressen findet. Ein Schutzring, der doch gleichzeitig das Wenige vernichtet, das sie sich in den letzten sechs Monaten erarbeitet haben.
Riesige Auswirkung auf das Weltklima
Milene Reculiano ist wütend und verängstigt: "Ich habe solche Angst, um mein Leben, um mein Haus. Guck dir dieses Feuer an, das ist kein Kinderspiel. Wenn der Staat uns hier unterstützen würde, allen ein Stück zuteilen würde, ich glaube, dann würden die Leute den Wald stehen lassen. Aber so ist es ein Geschäft! Die dahinterstecken werden nie bestraft, wir Kleinen sind die Verlierer."
Währenddessen rückt die Agrargrenze immer weiter in noch unberührte Waldgebiete vor und bedroht ein Ökosystem, das eine zentrale Rolle für das Klima auf der ganzen Welt spielt. Apui, eine Gemeinde mit 25.000 Einwohnern, gehört aktuell zu den zehn Städten Brasiliens, die am meisten Treibhausgase in die Atmosphäre ausstoßen - neben Megacities wie São Paulo oder Rio de Janeiro.