Zehn Jahre Black Lives Matter Was vom Zorn geblieben ist
Vor zehn Jahren erschien der Hashtag #BlackLivesMatter. Die Protestbewegung war geboren. Seit ihrem Höhepunkt 2020 nach dem Tod von George Floyd schwindet nun die Unterstützung. Was ist noch übrig?
Glühende Nachmittagshitze liegt über dem verwaisten Jefferson Square Park in Louisville im Bundesstaat Kentucky. Ein paar Obdachlose kampieren unter den schattigen Bäumen. Nur ein grünes Schild mit goldenen Buchstaben erinnert daran, dass im Frühsommer 2020 auf diesem Platz zig Millionen zornige Menschen wochenlang gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert haben.
Nicole Robinson war nur indirekt beteiligt. Sie ist nicht weit von hier aufgewachsen, im West End, dem schwarzen Stadtteil von Louisville. "Meine Freunde, wir alle, haben 20, 30 Tage in Folge protestiert. Für mich war es damals wichtig, meine Freunde psychisch zu unterstützen", sagt sie.
Den Demonstrationen vorausgegangen war der qualvolle Erstickungstod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis. Und wenige Wochen zuvor der Tod von Breonna Taylor, einer jungen Schwarzen aus Louisville, die bei einer Hausdurchsuchung von Polizeibeamten erschossen wurde.
Demonstrationen auch gegen soziale Ungerechtigkeit
Das hätte ich sein können damals, sagt die junge Frau mit den Dreadlocks. Als Doula - Geburtsbegleiterin - der Organisation Black Birth Justice kämpft sie täglich an vorderster Front. Die Müttersterblichkeit unter schwarzen Frauen ist fast viermal höher als unter weißen Frauen. Die soziale Ungerechtigkeit, die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe und die Polizeibrutalität gegenüber People of Color - das waren die Themen der Black-Lives-Matter-Bewegung.
Auch Chanelle Helm, Aktivistin in Louisville, war damals mit auf die Straße gegangen. An diesem Morgen hat die Sozialarbeiterin bereits mit drei Notfällen zu tun: einem Fall von häuslicher Gewalt, einer Drogenüberdosis und dem Tod eines Gefängnisinsassen. Dass die Bewegung damals so viele Anhänger fand, sei nicht verwunderlich, so die 46-Jährige. "Nicht nur wegen der Ungerechtigkeit bei der Polizei, sondern auch wegen der Ungerechtigkeit beim Status Quo".
Tatsächlich waren 2020 überproportional viele Schwarze von der Corona-Pandemie betroffen, verloren ihre Existenz, ihre Angehörigen oder sogar ihr eigenes Leben. Zudem wurde Polizeigewalt immer häufiger auf Videos festgehalten, so dass die ganze Welt zuschauen konnte.
Black Lives Matter feierte Erfolge
Nicht nur in Louisville hatten die Proteste Folgen: Die Familie von Breonna Taylor bekam eine Schadensersatzsumme von rund zwölf Millionen Dollar ausgezahlt. Der dortige Polizeichef wechselte mehrmals und es gab Polizeireformen. So sind zum Beispiel die umstrittenen "no-knock warrants", die unangekündigten Hausdurchsuchungen, seitdem verboten. Vielerorts müssen Polizeibeamte nun Körperkameras tragen und ein De-Eskalationstraining durchlaufen.
Aber vor allem wurde ein neues Bewusstsein in der amerikanischen Gesellschaft etabliert, sagt Chanelle Helm. "Die meisten Leute wollten, dass robuste Rechtssysteme entstehen. Die Sprache der Leute hat sich verändert. Die brauchen wir, um Bewusstsein zu schaffen." Die Leute verstünden jetzt, was Polizeibeamte dürfen und was nicht.
Rassismus aber noch immer in Gesellschaft verankert
In Washington und anderen Städten entstanden sogenannte Street Murals, Straßengemälde, die in riesigen gelben Lettern an die Bewegung erinnern. Für viele Amerikaner und Amerikanerinnen war das ein Anstoß, sich mit dem systemischen Rassismus in den USA zu beschäftigen. Denn der sei nach wie vor fest in der Gesellschaft verankert, so Amber Duke von der Amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU in Louisville.
"Ungleichbehandlung aufgrund der Hautfarbe und weiße Vorherrschaft wirken sich auf jeden einzelnen Aspekt des Lebens aus: auf Bildung, Strafrechtssystem, Wohnraum, Armut - auf alles," sagt sie. Das sei tief verwurzelt in der Geschichte der Sklaverei dieses Landes.
Aktivistinnen und Aktivisten haben auch in New York auf die 5th Avenue die Worte "Black Lives Matter" auf die Straße gemalt.
Skandal überschattete die Bewegung
Nach einer Studie des "Pew Research Center" hat die Unterstützung für die Bewegung inzwischen stark nachgelassen. Damals waren es zwei Drittel, heute steht nur noch rund die Hälfte der US-Bevölkerung hinter der "black liberation" - der schwarzen Befreiung.
Das Netzwerk sah sich außerdem heftiger Kritik ausgesetzt. Nicht nur von Republikanern, die den Aktivisten Gewalttätigkeit vorwarfen, sondern auch aus den eigenen Reihen. So sollen Gründerinnen der Bewegung Spendengelder veruntreut oder zumindest verschwendet haben, zum Beispiel indem sie zwei Luxus-Immobilien in Los Angeles und Toronto für 12 Millionen Dollar gekauft haben. Cicley Gay von der Global Network Foundation verspricht Besserung. "Immer, wenn es Fortschritte gibt, gibt es auch Kritiker," sagt sie. Sie müssten sicherstellen, für Transparenz und Verantwortlichkeit zu sorgen.
Unterstützerinnen halten an Bewegung fest
Amber Duke von der Bürgerrechtsorganisation ACLU ist dennoch optimistisch, dass die Protestbewegung Prozesse in Gang gebracht hat. "Es passiert langsamer als ich es gerne hätte, aber ich habe das Gefühl, wir bewegen uns in eine neue Richtung."
Und auch Nicole Robinson, die sich als Doula für schwarze Mütter und deren Babys einsetzt, glaubt, dass es Fortschritte gibt. Die Samen seien gesät, sagt sie. Es werde nur eine Weile dauern bis etwas wachse.