Rede von US-Präsident Biden Die Republikaner im Nacken
Bei seiner Rede zur Lage der Nation sprach US-Präsident Biden über den amerikanischen Arbeitsmarkt, Polizeigewalt und die Beziehungen zu China. Die Mehrheit seiner Zuhörer gehörte dabei erstmals nicht seiner Partei an.
Sie ist ein Ritual und für einen US-Präsidenten einer der wichtigsten Auftritte im Jahr: die Rede zur Lage der Nation, zur besten Sendezeit, vor einem Millionenpublikum. Für Joe Biden stand gestern Abend besonders viel auf dem Spiel: Zum ersten Mal sprach der Demokrat vor einer republikanischen Mehrheit auf Einladung eines republikanischen Sprechers.
Angesichts schlechter Umfragewerte und mit Blick auf eine mögliche erneute Kandidatur ging es für den 80-Jährigen vor allem um eines: seine Landsleute zu überzeugen, dass er einen guten Job macht und eine gute Wahl ist.
Es war Bidens erste Rede mit dem neuen republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses buchstäblich im Nacken. Und der US-Präsident begrüßte seinen Gastgeber Kevin McCarthy mit einem Scherz: "Ich weiß nicht, ob ich damit Ihren Ruf ruiniere, aber ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten."
Biden verweist auf neue Arbeitsplätze
Den ersten Teil seiner über eine Stunde langen Rede verbrachte der US-Präsident damit, seine Erfolge zu feiern: Eine Arbeitslosenquote so gering wie seit 50 Jahren nicht, Hunderttausende neue Jobs im produzierenden Gewerbe, eine wieder sinkende Inflationsrate. Dies sei Bidens Blaupause für das "Amerika der Arbeiter". Die Jobs und der Stolz der Amerikaner kämen zurück, seine Politik bedeute einen großen Unterschied für das Leben vieler Bürger.
Der 80-Jährige dankte den Republikanern explizit dafür, Gesetzesvorhaben wie beispielsweise das milliardenschwere Infrastrukturpaket mitgetragen zu haben. Und Biden sprach sich für weitere gute Zusammenarbeit aus: In den vergangenen zwei Jahren hätte er 300 Gesetze unterschrieben, die von Demokraten und Republikanern gemeinsam verabschiedet worden seien. Was damals ging, müsse jetzt doch auch wieder gehen.
Aufgeheizte Stimmung bei Republikanern
Trotzdem war die Stimmung im Saal zwischendurch ungewöhnlich aggressiv, für eine "State of the Union". Etwa als Biden behauptete, die Republikaner wollten ihn erpressen und Sozialleistungen kürzen. "Er lügt", rief die ultrarechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene dazwischen. Speaker McCarthy schüttelte den Kopf, viele Abgeordnete buhten.
Viel Applaus von beiden Seiten bekamen dafür die Eltern von Tyre Nichols, dem jungen Schwarzen, der von Polizisten in Memphis totgeprügelt worden war. Biden hatte sie eingeladen, um erneut für die Verabschiedung von Polizeireformen zu werben, die bislang aber an den Republikanern gescheitert waren. Es sei höchste Zeit, diese Reform jetzt endlich durchzuziehen, forderte Biden - genau wie das Verbot von Sturmgewehren.
US-Präsident Biden blickt bei seiner Rede stolz auf die Leistungen seiner Regierung.
Außenpolitik nur Randthema
Vor einem Jahr noch hatte Biden seine Rede mit dem Krieg in der Ukraine begonnen, diesmal bedachte er den russischen Angriffskrieg nur am Rande. Amerika habe eine globale Koalition gegen Russland angeführt. Außerdem versprach er der anwesenden ukrainischen Botschafterin, dass Amerika und die Welt weiter hinter ihrem Land stünden.
Auch das Verhältnis mit China handelte der Präsident mit einem kurzen Fingerzeig, aber auch einer deutlichen Drohung bezüglich des mutmaßlichen Spionageballon-Vorfalls ab: "Wir sind bereit, mit China zusammenzuarbeiten, wo es unseren Interessen oder denen der Welt dient. Aber wenn China unsere Souveränität bedroht, so wie letzte Woche, dann werden wir reagieren - und das haben wir getan."
Huckabee Sanders als Gegenrednerin
Am Ende gab der Präsident sich optimistisch: Weil die Seele, das Rückgrat und die Menschen des Landes so stark seien, seien auch die Vereinigten Staaten stark.
Die traditionelle Gegenrede für die Opposition hielt Sarah Huckabee Sanders. Die Republikaner hatten die Ex-Sprecherin von Ex-Präsident Donald Trump nicht nur wegen ihrer scharfen Rhetorik gewählt, sondern auch, um optisch den größtmöglichen Kontrast zu setzen: die mit 40 Jahren jüngste Gouverneurin von Arkansas gegen den ältesten amtierenden Präsidenten aller Zeiten.