Nach Tod von Tyre Nichols "Wir sollten uns schämen"
Nach dem Tod des Schwarzen Tyre Nichols wird in den USA über Rassismus und Polizeireformen diskutiert. Inzwischen mussten wegen des Falls zwei Sanitäter gehen, laut US-Medien wurden auch weitere Polizisten freigestellt.
"Wir sollten uns schämen, wenn der tragische Tod von Tyre Nichols nicht endlich zu einer Polizeireform führt", appellierte Ben Crump, der Anwalt der Familie des getöteten Nichols auf CNN. Er sprach vom "George Floyd Justice in Policing Act", einer Polizeireform benannt nach George Floyd, der im Mai 2020 von einem weißen Polizisten mit dem Knie im Genick erstickt worden war. Aber die Reform scheiterte im Kongress, passiert ist nichts.
Nun sucht die Politik wieder nach Antworten auf tödliche Polizeigewalt. Demokraten wie Dick Durbin, Vorsitzender des Justizausschusses des Senats, drängen auf Reformen. Er wisse, dass die Strafverfolgung im Großen und Ganzen eine staatliche und lokale Verantwortung sei. Das dürfe die Bundespolitik aber nicht aus der Verantwortung entlassen. "Wir müssen etwas ändern", plädierte Durbin im Sender ABC.
Dem widersprach der Vorsitzende des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, der Republikaner Jim Jordan. Er erklärte auf NBC, er denke nicht, dass irgendein Gesetz das Böse, das geschehen sei, hätte verhindern können. Die Demokraten wollten, sobald etwas Schreckliches geschehe, immer gleich neue Gesetze.
Tausende demonstrieren gegen Polizeigewalt
Die Videos, die zeigen, wie der 29 Jahre alte Nichols von fünf - ebenfalls schwarzen - Polizisten so brutal zusammengeschlagen wird, dass er drei Tage später im Krankenhaus starb, sind schwer zu ertragen.
Tausende Menschen demonstrierten am Wochenende in mehreren US-Städten gegen Polizeigewalt und für eine Polizeireform. Für die meisten ist es ein klarer Fall von Rassismus, auch wenn die Polizisten, die zugeschlagen haben, selbst schwarz sind.
Tausende Menschen demonstrierten am Wochenende in US-Städten - wie hier in New York.
Debatte über systemischen Rassismus
Systemischen Rassismus bei der Polizei erkennt die Polizeichefin von Memphis, Cerelyn Davis, nicht. Sie erklärte, Rassismus sei in diesem Fall kein Thema. Der Soziologieprofessor Rashawn Ray von der University of Maryland sieht das anders. Er forscht seit Jahren zu Polizei und Rassismus. Auf CNN sagte er: "Wir wissen, dass weiße und schwarze Polizisten ähnliche Einstellungen und Verhaltensweisen an den Tag legen - vor allem gegenüber Schwarzen."
Und er erklärte, Studien hätten gezeigt, es spiele eine große Rolle, wo Polizisten herkämen und wo sie eingesetzt würden. Wenn Polizisten aus der Region, in der sie im Einsatz seien, kämen oder dort lebten, sei es viel wahrscheinlicher, dass sie sich adäquat verhielten. Und Polizisten lebten viel seltener in Vierteln mit hauptsächlich Schwarzen. Daraus könnte die Politik Konsequenzen ableiten, so Ray.
Die demokratische Abgeordnete Maxin Waters glaubt nicht daran. Im Interview mit MSNBC sagte sie, es werde sich nur durch den Druck der Bürgerinnen und Bürger etwas ändern: "Ich habe keine große Hoffnung, dass wir eine Polizeireform durchbekommen. Es geht um Rassismus. Und manche mögen es nicht, wenn ich sage: Leute geht auf die Straße, protestiert. Aber ich sage es noch einmal."
Auch Sanitäter und Fahrerin entlassen
Anders als bei vielen anderen Fällen von tödlicher Polizeigewalt in den USA hat es diesmal zumindest für beteiligte Polizisten schnelle Konsequenzen gegeben. Fünf Polizisten wurden entlassen und werden unter anderem wegen Mordes zweiten Grades angeklagt, im deutschen Rechtssystem entspricht das dem Totschlag. Die Sondereinheit, der die Polizisten angehörten, wurde aufgelöst. US-Medien berichteten am Montag unter Berufung auf die Polizei in Memphis von zwei weiteren Freistellungen bei der Polizei.
Außerdem wurden zwei Sanitäter und eine Fahrerin der Feuerwehr entlassen. Sie hätten es versäumt, eine angemessene Einschätzung des Patienten zu leisten und seien damit ihren Pflichten nicht nachgekommen, hieß es. Am Mittwoch soll Nichols in Memphis beigesetzt werden.