Argentinien Schocktherapie, erster Teil
Argentiniens neuer Präsident Milei lässt seinen Versprechen Taten folgen. Am Abend stellte er erste Teile seiner "Schocktherapie" für Wirtschaft und Gesellschaft vor. Tausende gingen dagegen auf die Straße.
"Argentinier! Heute ist ein historischer Tag für unser Land", hob Javier Milei pünktlich um 21 Uhr Ortszeit in einer Ansprache über alle staatlichen Medien an. Umgeben von den Ministerinnen und Ministern seiner Regierung verdammte der neue Präsident des Landes rund fünf Minuten lang den Sozialismus als Wurzel allen Übels. Der habe Argentinien in die "wirtschaftliche Hölle" geführt.
Milei malte diese Hölle mit historischen und statistischen Daten aus, vor allem der Auslandsverschuldung und galoppierenden Inflation, und verlas schließlich 30 Punkte, die einen radikalen Wandel auslösen und Argentinien wieder zu einer "Weltmacht" machen sollen.
Neuer Plan für "alle Bereiche der Wirtschaft"
Darunter sind: Aufhebung von Mietgesetzen, Abschaffung von Industriesubventionen, Erleichterung von Privatisierungen, Umwandlung aller staatlichen Unternehmen in Aktiengesellschaften, um sie anschließend zu privatisieren, Lockerung der Brandschutzgesetze, Liberalisierung des Weinmarktes, Öffnung des Internetmarktes für Firmen wie Starlink von Elon Musk, der Milei im Wahlkampf unterstützt hatte. Und Fußballvereine sollen Aktiengesellschaften werden können, wenn sie es wollen.
Insgesamt, so Milei, umfasse sein Plan 300 Punkte, die alle Bereiche der Wirtschaft betreffen. "Un bomaso" - ein "Riesending" sei die Liste, kommentierten Journalisten, während auf den Straßen in Buenos Aires spontan Bürger mit Blechtöpfen auf die Straßen gingen.
Ein symbolträchtiger Tag
Es ist ein Programm, das zwar viele begrüßen, aber auch viele bekämpfen werden, glaubt man den Ansagen der Opposition. Die hatte für den 20. Dezember zu Demonstrationen aufgerufen, denn Milei hatte einen symbolträchtigen Tag für seine erste Ansprache als Präsident gewählt.
2001 mündeten an diesem Tag Proteste gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik in tödliche Unruhen. Mehr als 30 Menschen kamen ums Leben. Es folgten ein massiver Anstieg der Armut und der Staatsbankrott. Daran wird am Jahrestag erinnert.
Doch dieses Jahr sei alles anders, meint die Politikwissenschaftlerin Victoria Raidou von der Bürgerrechtsvereinigung Cells: "Das Besondere in diesem Jahr ist, dass die junge Regierung Milei angekündigt hat, das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit in eine Straftat zu verkehren."
Demonstrieren sei nur auf dem Bürgersteig erlaubt, wer Straßen blockiere, werde wegen eines Eingriffs in den Straßenverkehr hart bestraft, hatte die Ministerin für Humankapital angekündigt. Am Nachmittag hielten sich die Demonstrationen weitgehend an die Anordnung. Die Stimmung blieb friedlich. Wohl auch, weil Präsident Milei seinen 300-Punkte-Plan erst Stunden später bekannt gab.
"Ideen eines Psychopathen"
Der einflussreiche Rechtsanwalt und Gründer der Bewegung ausgeschlossener Arbeiter, Juan Grabois, bezeichnete die Sicherheitsmaßnahmen als verfassungswidrig. Er kritisierte die radikalen Reformpläne der Regierung Milei und sieht konfliktreiche Zeiten auf Argentinien zukommen.
Mir scheint, dass es an der Zeit ist, aufzustehen. Und ich sage auch, warum. Die Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die die Ideen eines Psychopathen sind, der das Elend seiner Bevölkerung auf bewusste, grausame und empathielose Weise plant. Es handelt sich um Regierungsmaßnahmen, die unweigerlich und auch nach ihren eigenen Berechnungen die Armut innerhalb von drei Monaten um 10 bis 15 Prozent erhöhen und eine Inflation von 80 Prozent verursachen werden.
Argentinien, das scheint sicher, hat einen historischen Tag hinter sich.